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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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die
Absperrung zu durchbrechen. Lärmend ergossen sie sich in den Zentralhof, wo
sich die Geladenen nur mit Mühe durch das Getümmel kämpfen konnten.
    „Du hast richtig vermutet“, sagte Barsine zu Paruschjati.
„Die Offiziere wollen unter sich bleiben. Perdikkas hat bewusst keine richtige
Heeresversammlung einberufen, damit die Phalangiten ihm keinen Strich durch die
Rechnung machen können. Es sieht allerdings nicht so aus, als ob er damit
durchkommt.“
    Sie beobachteten das Chaos vom Obergeschoss des königlichen
Wohntraktes aus. Die Räume und Korridore in diesem Teil des Palasts waren an
diesem Morgen wie ausgestorben, sodass niemand ihr Kommen bemerkt hatte. Und
selbst wenn sie jemand gesehen hätte, hätte er ihnen kaum Beachtung geschenkt.
Wie alle Frauen im Palast trugen Paruschjati und Barsine Trauerkleidung, jeder
musste sie für Dienerinnen bei der Erledigung eines Auftrags halten.
    Die beiden Frauen rissen ihre Blicke von dem Schauspiel
unten im Hof los und huschten, gefolgt von Mannuja, Ischna und Barsines beiden
Dienerinnen, den dunklen Gang hinunter zu der halb im Schatten verborgenen Tür
an seinem Ende. Wer wusste, woher Barsine den Schlüssel hatte – irgendwie
schien sie in alle Geheimnisse des Palastes eingeweiht zu sein. Vorsichtig schlüpften
die Frauen in die lang gestreckte Kammer hinter der Tür. Die Luft darin roch
abgestanden, als wäre lange niemand mehr hier gewesen. Paruschjati trat zu
einer der hohen, schmalen Öffnungen in der linken Längswand und sah hindurch.
    Ihr Blick fiel hinunter in den Thronsaal. Von unten waren
die Fenster wahrscheinlich nur als schmale Schlitze hoch oben in der Wand zu
erkennen, und auch das nur, falls jemand gezielt zu ihnen hinaufsah. Von hier
oben aus hatte man einen ausgezeichneten Blick auf das Geschehen unten, ohne
selbst gesehen zu werden. Der Thronsaal war bereits zu zwei Dritteln gefüllt,
doch noch immer drängten sich Männer durch das Hauptportal und die beiden
seitlichen Zugänge.
    Barsine ließ sich auf der Ziegelbank unterhalb der Fenster
nieder und lehnte sich vor, um ebenfalls hinaussehen zu können. „Es ist, wie
wir erwartet haben. Ich sehe keinen einzigen Perser dort unten.“
    Weder Barsines Brüder noch Okschatra waren eingeladen
worden, nicht einmal Vischtaspa, der als Hipparch der Gefährten-Reiterei in der
Armee immerhin einen hohen Rang bekleidete. Soweit Paruschjati das beurteilen
konnte, war der Raum mit hohen makedonischen Offizieren und einigen wenigen
Griechen gefüllt – sie erkannte Eumenes und Nearchos –, doch offenbar war es
auch vielen einfachen Soldaten gelungen, sich hineinzudrängen.
    An der Rückwand der Halle, gegenüber dem Hauptportal, stand
auf einem mehrstufigen Podest der Thron. Der Purpurmantel des Königs war über
die Rückenlehne drapiert, auf dem Sitz lagen das Diadem und ein Schwert, am
linken Bein lehnte eine Lanze hinter einem runden Prunkschild. Zu beiden Seiten
des Throns hatten die sieben Königlichen Leibwächter Aufstellung genommen. Auf
der rechten Seite befand sich Perdikkas mit Peithon und Aristonus, beide als
seine Anhänger bekannt. Paruschjati überlegte, wer von den vier anderen
Leibwächtern noch auf seiner Seite sein konnte. Ptolemaios? Sicher nicht.
Leonnatos? Lysimachos? Peukestas, diesmal nicht persisch gekleidet, sondern in
der Rüstung eines makedonischen Offiziers, hielt sich ein wenig abseits von den
anderen.
    Vor dem Thron hatte eine Abteilung Königspagen eine Kette
gebildet. Soweit Paruschjati erkennen konnte, befand sich Vahauka nicht unter
ihnen. Sie hoffte, dass er seinen Plan in die Tat umgesetzt und Babylon
verlassen hatte, denn jetzt, wo der König tot war, konnte es hier für den Sohn
des letzten Großkönigs gefährlich werden.
    Als der Saal bis zum Bersten gefüllt war, versuchten die
Torwächter, die Flügeltüren zu schließen, aber vergeblich. Schließlich gaben
sie auf. Die Türen blieben offen, die Menschenmenge erstreckte sich bis hinaus
auf den Hof, wo sie weiter drängte und schob.
    Perdikkas wechselte einen Blick mit Peithon und Aristonus,
dann setzte er sich in Bewegung und schritt langsam und gravitätisch die Stufen
hinauf zum Thron. Einen winzigen Augenblick glaubte Paruschjati erschrocken, er
wolle sich daraufsetzen, doch stattdessen bezog er rechts neben ihm Stellung
und hob seine Hand. Das Getöse, das den Raum ausgefüllt hatte, verstummte nach
und nach.
    „Kein Verlust auf Erden könnte jemals dem gleichkommen, den
wir soeben erlitten haben!

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