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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Raukschana war … nein, ist wunderschön. Aber damals war sie ganz anders als heute, sehr jung und zart, wie
eine Blüte. Erst das Leben am Hof hat sie hart gemacht. Doch damals konnte ich
durchaus verstehen, dass Alexander sich in sie verliebt hatte.“
    „Hat dich das nicht verletzt?“
    „Sehr. Besonders, weil ich damals gerade meinen Sohn bekam.“
    „Herakles? Ausgerechnet zu dieser Zeit?“
    „Kurz nachdem Alexander bekannt gegeben hatte, dass er
Raukschana heiraten wollte, bemerkte ich, dass ich doch noch schwanger geworden
war. Als ich es ihm sagte, bot er an, mich zu heiraten, doch ich lehnte ab. Ich
habe auch meinen Stolz, es wäre lächerlich gewesen. Außerdem merkte ich bald,
dass es festere Bande zwischen zwei Menschen gibt als eine offizielle
Zeremonie. Mit Raukschana konnte Alexander sich anfangs nicht einmal
unterhalten, sie verstand kein Wort Griechisch. Außerdem war ich daran gewöhnt,
ihn zu teilen. Da war von Anfang an Hephaistion, später kam noch der intrigante
Eunuch dazu.“
    „Hast du nie daran gedacht, ihn zu verlassen?“
    „Er hätte niemals zugelassen, dass sein einziger Sohn
außerhalb seiner Kontrolle aufwuchs, und solange Herakles blieb, musste auch
ich bleiben. Aber auch so wäre ich nicht gegangen. Alexander verlässt man
nicht.“
    Könige waren es nicht gewohnt, dachte Paruschjati, Rücksicht
auf die Gefühle anderer zu nehmen, nicht einmal derer, die sie liebten. Als der
König aus dem Osten zurückgekehrt war, hatte er zwei weitere Frauen geheiratet,
Frauen, die ihm nicht das Geringste bedeuteten. Nur Barsine, die Frau, die ihn
liebte, die ihm all die Jahre gefolgt war und ihm sogar einen Sohn geboren
hatte, hatte er nicht geheiratet.
    Plötzlich drang dumpfes Brausen hinauf zu den Frauen auf dem
Dach. Paruschjati und Barsine sprangen auf und blickten angestrengt zum Alten
Palast hinüber, wo sich der Hof vor den königlichen Gemächern in rasender
Geschwindigkeit füllte. Das Brausen war das Wehklagen vieler hunderter
Menschen, das dennoch wie aus einer einzigen Kehle zu kommen schien. Es schwoll
immer weiter an und fegte wie ein Sturm über die von Hitze flirrenden Dächer
der Palaststadt.
    Das Gewoge der Menschenmassen und das Tosen ihrer Klage
pflanzten sich durch die anderen Höfe fort wie eine Flutwelle, die in eine
Meeresbucht schwappt. Auch die Menge draußen vor den Palasttoren geriet in Bewegung
und drängte in die Höfe. Andere brachen durch die wogenden Massen, rannten
wehklagend die Prozessionsstraße hinunter und verteilten sich im Häusermeer der
Stadt, wo sie die Nachricht verbreiten würden. Unwillkürlich, ohne
nachzudenken, fasste Paruschjati nach Barsine. Beide wussten, was geschehen
war, ohne dass es eines Wortes bedurfte. Hand in Hand standen sie da und
blickten hinüber zum Alten Palast.
    Inzwischen war der Himmel fast völlig bedeckt, nur über dem
westlichen Horizont brachen die Strahlen der untergehenden Sonne durch die
Wolkenschichten. Paruschjatis Blick glitt über die Dächer des Palasts zur Ruine
des Stufenturms. Fast erwartete sie, dass sich die Vision, die sie auf dem
Tempeldach gehabt hatte, wiederholte. Doch obwohl die Sonne ein letztes Glühen
auf Mauern und Dächer der uralten Stadt zauberte, lag der Turm in völliger
Dunkelheit. Die Pforte der Götter hatte sich geschlossen.

Die
Gehende Schlange
14
Babylon, 29. Daisios
    Niemand in Babylon hatte in dieser Nacht Schlaf gefunden.
Die Soldaten hatten in den äußeren Höfen des Alten Palasts und draußen auf der
Prozessionsstraße gewacht, die Einheimischen auf der Stadtmauer oder auf den
Dächern ihrer Häuser. Niemand hatte Lampen oder Fackeln entzündet. Wegen der
Wolken, die am Tag zuvor gekommen waren, standen auch keine Sterne am Himmel,
etwas, was selten in Babylon vorkam. Die Nacht war schwarz, die schwärzeste,
die Paruschjati jemals in dieser uralten Stadt erlebt hatte.
    Gegen Morgen kam Bewegung in die wartende Menge vor den
Palasttoren. Die Soldaten, die die Nacht in voller Rüstung verbracht hatten,
schoben sich nach und nach in die östlichen Höfe vor und brandeten schließlich
wie eine Sturmflut gegen den Torbau, der in den zentralen Hof und zum Thronsaal
führte. Dort, so hieß es, würde eine Versammlung stattfinden, in der über die
Zukunft beraten werden sollte.
    Die Wachen verweigerten den einfachen Soldaten den Zutritt
und ließen nur hohe Offiziere durch, die namentlich aufgerufen wurden. Die
Ausgesperrten brüllten und drängelten empört, bis es einigen gelang,

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