Die Perserinnen - Babylon 323
steht
allein einem Sohn Alexanders zu. Wenn Roxane einem Jungen das Leben schenkt,
soll er unser neuer König sein, und wenn nicht …, nun, was auch geschieht, ich
werde mich der Verantwortung nicht entziehen, wenn ihr mich ihrer dann immer
noch für würdig haltet.“
Ein Seufzen ging durch die Menge, teils aus Enttäuschung,
teils aus Erleichterung. Perdikkas trat wieder zurück in die Reihe der
Leibwächter. Der Augenblick der Entscheidung war vorüber.
In der relativen Ruhe, die auf Perdikkas’ Erklärung folgte,
begann jemand, Beifall zu klatschen. „Ein guter Auftritt! Wirklich gelungen!
Kein professioneller Schauspieler hätte das so gut hingekriegt!“
Ein Mann löste sich aus der Menge und kam nach vorn, wo die
Leibwächter standen.
„Kennst du den?“, flüsterte Paruschjati, und Barsine
erwiderte leise: „Meleagros, Taxiarch bei der Phalanx. Altgedient, aber kein
besonderes Licht. Bisher nie groß in Erscheinung getreten.“
Meleagros hörte auf zu klatschen und brach stattdessen in
Gelächter aus, ein raues, höhnisches Bellen. „Lasst euch nicht täuschen von
dieser Vorstellung verlogener Bescheidenheit. Wen immer ihr zu eurem König
macht: Dem da“ – er zeigte mit dem Finger auf Perdikkas – „geht es nur um seine
Macht. Dabei hat er nicht einmal den Mumm, nach ihr zu greifen, wenn sie ihm
auf einem Tablett serviert wird. Stattdessen will er euch einen König
aufschwatzen, der noch nicht einmal geboren ist.“
Paruschjati bemerkte, wie Perdikkas’ Hand sich zum Griff
seines Schwertes bewegte. Hasserfüllt starrte er Meleagros an. „Achte auf das,
was du sagst, oder ich lasse dich hinausschaffen.“
„Hinausschaffen? Mich?“, schrie Meleagros zurück. „Mit
welchem Recht? Ich habe ebenso viel Anspruch darauf, hier zu sprechen, wie du.
Und wie alle anderen. Warum sehe ich hier fast nur Offiziere? Jeder Makedone,
der Waffen tragen kann, hat das Recht, an der Heeresversammlung teilzunehmen.
Ich sehe sogar Griechen wie Nearchos und Eumenes, die hier nichts verloren
haben. Aber wo sind die einfachen Soldaten? Wo ist das Volk?“
„Dies ist eine Besprechung von Alexanders wichtigsten
Beratern“, erwiderte Perdikkas kühl, „keine Heeresversammlung.“
„Nein, es ist eine Versammlung machtgieriger Intriganten!“
„Er hat recht“, brüllte ein Mann aus der Menge. „Und das
gilt nicht nur für Perdikkas und seine Clique, sondern für die ganzen Bande da
vorn. Ihr tut, als ob ihr Alexander ergeben wart, doch ihr konntet es gar nicht
erwarten, dass er stirbt! Sein Tod kommt euch allen nur zu gelegen.“
„Barsine“, sagte Paruschjati aufgeregt, „wer ist dieser
Mann? Kennst du seinen Namen?“
„Ich glaube, sein Name ist Holkias. Ein Phalanx-Offizier.
Was ist mit ihm?“
„Das ist der Mann, der mir von der Verschwörung auf dem
Gastmahl bei Medios berichtet hat.“
Barsine starrte Paruschjati erschrocken an. „Bist du
sicher?“
„Ich erkenne seine Stimme. Und sein Lispeln.“
Unten ging das Geschrei inzwischen weiter. „Was ist, wenn
die Barbarenschlampe nicht wie gewünscht einen Sohn wirft?“, brüllte Meleagros
gerade. „Ich sage euch etwas: Es ist völlig egal – ihr könnt euch darauf
verlassen, dass sie euch einen Jungen präsentieren werden. Notfalls den Sohn
eines Kameltreibers oder einer Hure, und der wird dann euer König genannt
werden! Aber regieren wird in seinem Namen Perdikkas. Seid ihr denn alle
Dummköpfe, dass ihr das nicht merkt? Oder Memmen, dass ihr es euch gefallen
lasst?“
Obwohl Meleagros weiter sein Gift verspritzte, beachteten
ihn die Männer vorn beim Thron nicht, stattdessen warfen sie einander besorgte
Blicke zu. Perdikkas und Ptolemaios, eben noch auf verschiedenen Seiten, hatten
die Köpfe zusammengesteckt und redeten leise. Sie wissen es, schoss es
Paruschjati durch den Kopf. Sie haben verstanden, worauf Holkias angespielt
hat. Ein Zeichen von Schuldbewusstsein? Oder sorgten sie sich nur wegen der
Gerüchte, die im Umlauf waren?
Meleagros lärmte weiter. „Ich spreche euch das Recht ab,
Entscheidungen im Namen der Makedonen zu treffen! Dies ist keine rechtmäßige
Versammlung, und ich werde nicht länger an dieser Farce teilnehmen. Wer meiner
Meinung ist, soll mit mir kommen. In diesen Palästen gibt es mehr Gold und
Silber, als wir tragen können. Wir nehmen uns selbst, was uns zusteht. Wir
haben lange genug dafür gekämpft.“
„Sie wollen den Palast plündern!“, schrie Paruschjati
entsetzt und sprang auf. Wieder einmal
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