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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Menge, die er
aufgehetzt hatte, wieder zu beruhigen. „Vergesst Nearchos, er hat in dieser
Versammlung ohnehin keine Stimme. Ich habe einen Vorschlag: Lasst uns einen Rat
einsetzen, von euch gewählt unter Alexanders höchsten Offizieren. Er soll über
alle Angelegenheiten gleichberechtigt beraten und mehrheitlich Beschlüsse
fassen.“
    „Ptolemaios ist schlau“, flüsterte Barsine. „Er weiß genau,
dass er nicht genügend Anhänger hinter sich hat, um sich die Regentschaft zu
sichern. Weil er sie aber auch niemand anderem gönnt, schon gar nicht
Perdikkas, schlägt er einen Rat vor, zu dem er natürlich selbst gehören will.“
    Der Vorschlag schien Anklang zu finden, doch dann meldete
sich Peithon zu Wort. „Das verstößt gegen die Traditionen unseres Volkes! Wir
sind nicht wie die degenerierten Griechen, die den ganzen Tag in irgendwelchen
Versammlungen palavern und doch zu keiner vernünftigen Entscheidung gelangen.
Seit alter Zeit hatten wir stets einen König. Was aber war ein König
ursprünglich? Ein Mann, der sich nicht nur durch Stärke und Tapferkeit bewährt
hatte, sondern auch durch Weitsicht und Besonnenheit. Ihm folgten die Krieger,
und ihn nannten sie ihren König.“ Peithons gewählte Ausdrucksweise bewies, dass
seine Rede sorgfältig einstudiert worden war. „Wer von euch an Alexanders
Sterbebett stand, erinnert sich gewiss, wie man ihn fragte, wem er sein Reich
hinterlasse. Er antwortete: Dem Besten! Doch wen meinte er damit? Wer ist der
Beste? Nun, die Antwort ist nicht schwer: Wem hat Alexander seinen Siegelring
anvertraut? Wer sollte während seiner Krankheit Sorge für das Reich ragen?
Perdikkas! Ihn meinte Alexander, als er sagte: Dem Besten!“
    „Nein, er meinte Krateros“, brüllte jemand aus der Menge,
und andere stimmten ihm zu. Obwohl Krateros weit weg war, verfügte er über eine
große Anhängerschaft, besonders bei den einfachen Soldaten von der Phalanx.
Wäre er in Babylon gewesen, wäre es an ihm gewesen, die Initiative zu
ergreifen, nicht an Perdikkas.
    Ohne sich von den Zwischenrufen beirren zu lassen, fuhr
Peithon fort: „Perdikkas ist einer von Alexanders erfahrensten Heerführern. Er
hat den Befehl über die Erste Hipparchie der Gefährten-Reiterei, die
angesehensten Truppe in der ganzen Armee! Nachdem Hephaistion gestorben war,
hat Alexander ihm, wenn nicht den Titel, so doch das Amt des Chiliarchen
verliehen. Perdikkas soll uns führen! Zumal er sogar königlicher Herkunft ist!“
    Beifall erhob sich, Perdikkas’ Anhänger schlugen wieder mit
den Schwertern auf ihre Schilde, doch die Menge insgesamt war gespalten.
    „Will Perdikkas selbst König werden?“, flüsterte
Paruschjati. „Ist er tatsächlich von königlicher Herkunft?“
    „Davon höre ich zum ersten Mal“, erwiderte Barsine.
„Perdikkas kommt aus Orestis, einer Provinz in den makedonischen Bergen.
Vielleicht stammt er aus dem früheren Königshaus dort. Oder er ist wirklich
entfernt mit Alexanders Familie verwandt.“
    Und plötzlich durchschaute Paruschjati Perdikkas’ wahren
Plan. Er hatte Raukschanas Sohn als Erben vorgeschlagen, nicht obwohl , sondern gerade weil er wusste, dass die meisten Makedonen ihn ablehnen
würden – um sich schließlich selbst als einzig akzeptable Alternative
präsentieren zu können!
    Das Toben der Menge steigerte sich weiter. Perdikkas, bis
dahin in einer Reihe mit den anderen Leibwächtern, machte einen Schritt auf den
Thron zu und dann noch einen. „Nimm den Ring“, tönte es aus verschiedenen
Richtungen.
    Perdikkas stand dicht vor seinem Ziel, doch statt danach zu
greifen, zögerte er. Zwar war Paruschjati zu weit entfernt, um seinen
Gesichtsausdruck deuten zu können, doch seine Haltung und die Anspannung, die
von ihm ausstrahlte, spiegelten den Zwiespalt, in dem er sich befand: offen
nach der Macht zu greifen und das Risiko des Scheiterns einzugehen – oder auf
Nummer sicher zu gehen. Denn wenn er zugriff, sich aber nicht durchsetzen
konnte, war seine Autorität so beschädigt, dass er womöglich auch als Regent
keine Chance mehr hatte. Wie gebannt starrte Perdikkas auf den Ring, während er
von allen Seiten aufgefordert wurde, ihn an sich zu nehmen, und versuchte
abzuschätzen, ob die Zustimmung im Raum groß genug war. Doch viele der
Anwesenden zeigten offen ihr Missbehagen, sogar Buhrufe waren zu hören.
    Perdikkas hob die Hand, und der Lärm flaute ab. „Es ist eine
große Ehre, dass ihr mich für würdig haltet, euch zu führen. Doch sie

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