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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Großkönig müssen die Menschen nun dir gehorchen. Wo ist der Unterschied?“
    „Das ist ein großer Unterschied!“, ereiferte er sich. „Die
Großkönige haben die Menschen in Unfreiheit und Rechtlosigkeit gehalten. Unter
meiner Herrschaft aber können sie ein Leben in Freiheit führen, ähnlich wie die
Bürger einer griechischen Stadt.“
    „Aber sie besitzen keine politischen Rechte, wie sie zum
Beispiel die Bürger Athens genießen. Die regeln ihre Angelegenheiten selbst,
sie diskutieren darüber in der Volksversammlung, und zum Schluss wird
abgestimmt.“
    „Du hörst dich an wie Hephaistion. Volksversammlungen wie in
Athen wären in meinem Reich allein schon wegen seiner Größe nicht machbar, ganz
unabhängig von der Frage, ob sie überhaupt sinnvoll wären. Die Demokratie
funktioniert schon bei den Athenern nicht besonders, wovon ich mich bei
verschiedenen Gelegenheiten selbst überzeugen konnte. Auch mein Lehrer, der
Philosoph Aristoteles, hielt die Monarchie für die beste Regierungsform, sofern
der richtige Mann an der Spitze steht.“
    „Und der richtige Mann bist natürlich du?“
    „Natürlich“, erwiderte er ohne eine Spur Selbstironie. „Aber
es geht nicht um mich selbst, es geht um das Wohl der Menschen ...“
    „… und du weißt nun einmal am besten, was das ist?“, fragte
sie spöttisch. „So haben die Großkönige auch gedacht. Auch sie waren überzeugt,
dass ihre Herrschaft zum Wohl ihrer Untertanen gereichte. Noch einmal: Wo ist
der Unterschied?“
    „Der Unterschied ist, dass die Menschen unter meiner
Herrschaft an den Segnungen der griechischen Zivilisation teilhaben, und damit
meine ich nicht die Demokratie, sondern Kunst und Literatur, Philosophie und
Wissenschaft. Du predigst doch dauernd, wie wichtig das alles ist. Dank mir
werden sich diese Errungenschaften des griechischen Geistes über die ganze Welt
verbreiten, erst durch mich werden die Griechen zu ihrer wahren Größe finden
...“
    „Die Griechen sehen das völlig anders. Sie sagen, du seiest
ein Tyrann, der sie ihrer Freiheit beraubt hat.“
    „Die Griechen waren schon immer ein undankbarer Haufen. Seit
Menschengedenken haben sie ihre Kräfte darauf verschwendet, gegeneinander Krieg
zu führen. Mein Vater hat sie geeint und ihnen Frieden gebracht, und ich sorge
dafür, dass das so bleibt. Weißt du, was ich bei den Olympischen Spielen im vorigen
Jahr proklamieren ließ? Dass alle politisch Verbannten nach Hause zurückkehren
dürfen! Zwanzigtausend Menschen waren eigens nach Olympia gekommen, um diese
Botschaft zu hören. Die meisten von ihnen waren verbannt worden, weil sie zur
antimakedonischen Partei in ihrer jeweiligen Heimatstadt gehören. Sie sind
meine Feinde, dennoch erlaubte ich ihnen zurückzukehren. Denn ich möchte, dass
die Menschen in Griechenland endlich in Frieden leben.“
    Alexanders Stimme vibrierte vor Begeisterung, sein Gesicht
wirkte verklärt und seine Augen waren voller Leben. Paruschjatis Hoffnungen
schienen sich erfüllt zu haben. Zum ersten Mal seit langer Zeit kam der König
ihr wieder wie ein normaler Mensch vor. Sogar seine Haare, die er sich nach
Hephaistions Tod geschoren hatte, waren wieder nachgewachsen.
    „Eines Tages werden alle Menschen in einem einzigen,
weltumspannenden Reich vereint sein“, sagte er mit entrücktem Blick. „Alle
Völker werden in Sicherheit und Wohlstand leben, statt sich in Hass und
gegenseitiger Verachtung aufzureiben. Dann wird es endlich Frieden geben.“
    Das war das letzte Mal gewesen, dass sie mit ihm gesprochen
hatte. Natürlich hatte sie ihm sein hochtrabendes Gerede nicht abgenommen. Dass
es ihm nicht um sich selbst ging, sondern um nicht weniger als das Wohl der
ganzen Menschheit! Sie hatte seine Selbstgerechtigkeit durchschaut, seinen
Selbstbetrug, seine Weltfremdheit. Seine absurde Vorstellung, die Welt mit
Krieg und Eroberung überziehen zu müssen, um ihr Frieden zu schenken.
    Und doch hatte etwas in ihr gehofft, dass zumindest ein Teil
seiner Vision Wirklichkeit werden würde. Auch wenn seine Motive längst nicht so
selbstlos waren, wie er vorgab, so war es doch eine große Vision. Vielleicht,
wenn er mehr Zeit gehabt hätte, dachte sie, als sie allein im Innenhof saß.
Zeit, in der seine Ideen reifen konnten. Zeit, damit die Menschen bereit für
die Veränderungen wurden. Vielleicht wären sie ihm eines Tages auf seinem Weg
gefolgt, auch ohne Zwang. Doch er war zu früh gestorben. Was er begonnen hatte,
würde vergehen wie der Rauch eines

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