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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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Perserin? Oder schon ein
bisschen als Griechin?“
    Paruschjati schwieg einen Augenblick lang verblüfft. Die
Frage wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Dann sagte sie: „Natürlich als
Perserin! Ich wurde als Perserin geboren – wie kann ich da je etwas anderes
sein? Nur weil mein Volk besiegt wurde und unser Reich untergegangen ist?“
    „Entschuldige, ich wollte dich nicht beleidigen. Ich meinte
nur, in den vergangenen Jahren hat es so große Umwälzungen gegeben – nichts ist
mehr, wie es war. Früher war man Perser oder Grieche oder Ägypter, ohne darüber
nachzudenken. Doch ich habe das Gefühl, dass es in Zukunft nicht mehr so sehr
darauf ankommen wird, als was man geboren wurde. Sondern darauf, wofür man sich
entscheidet.“
    „Du hast mich nicht beleidigt. Ich verstehe sehr gut, was du
meinst. Aber für mich persönlich stellt sich die Frage nicht. So sehr ich die
griechische Kultur bewundere – ich werde immer eine Perserin bleiben. Und ich
stehe dazu.“
    „Davor habe ich Respekt. Ich finde, du hast durchaus Grund,
auf dein Volk und seine Leistungen stolz zu sein. Immerhin habt ihr dreihundert
Jahre über den größten Teil der bekannten Welt geherrscht.“
    „Ja, und wir waren immer so stolz darauf“, sagte Paruschjati
bitter. „Erst jetzt, wo das alles Vergangenheit ist, erkenne ich, dass es
andere Werte gibt, auf die wir Perser stolz sein können. Nicht Macht und
Reichtum, nicht Werte, die man besitzt. Sondern Werte, die man lebt. Die man in
seinem Leben zu beherzigen versucht. Auch wenn uns Persern das, wie allen
anderen Menschen, nicht immer gelungen ist.“
    „Welche Werte sind das?“, fragte Nikobule.
    „An erster Stelle die Liebe zur Wahrheit, wie unser Prophet
Zarathuschtra sie uns gelehrt hat. Aber auch der Sinn für Gerechtigkeit.
Verantwortungsbewusstsein. Loyalität.“
    Barsine ergänzte: „Großzügigkeit. Mitmenschlichkeit.
Dankbarkeit gegenüber denen, die uns Gutes getan haben. All das haben wir
Perser immer hochgehalten.“
    „Ich verstehe. Das sind Werte, die mindestens ebenso wichtig
sind wie Leistungen in Literatur und Wissenschaft“, sagte Nikobule. „Vielleicht
waren wir Griechen oft ein bisschen zu stolz auf unsere kulturellen Leistungen,
so wie ihr Perser auf eure Macht und euren Reichtum. Dabei haben wir aus den
Augen verloren, worauf es im Leben wirklich ankommt. Darf ich dir noch eine
letzte Frage stellen, Parysatis?“
    „Ja?“
    „Wenn du wählen müsstest zwischen der Welt der Griechen und
der der Perser: Wie würdest du dich entscheiden? Könntest du dir vorstellen,
jemals wieder ohne die Errungenschaften der griechischen Kultur leben zu
können?“
    „Ich weiß es nicht“, sagte Paruschjati, nachdem sie lange
überlegt hatte.
    Noch während sie die Worte ausgesprochen hatte, war
Paruschjati bewusst geworden, dass sie nicht der Wahrheit entsprachen. Nachdem
Barsine und Nikobule sich verabschiedet hatten, ging sie der Frage weiter nach.
Was wäre, wenn sie wirklich nach Medien oder sogar noch weiter in den Osten
fliehen musste, vielleicht bis nach Baktrien? Wo sie abgeschnitten sein würde
von der griechischen Zivilisation und auf all das verzichten musste, was ihr in
den letzten Jahren so wichtig geworden war? Instinktiv wusste sie, dass sie
niemals wieder in ihr altes Leben zurückkehren konnte, nicht einmal, wenn ihr
Überleben davon abhing.
    „Ich werde die griechische Kultur über die ganze Welt
verbreiten“, hatte der König einmal behauptet. „Die ersten Schritte sind
bereits getan. Im ganzen Osten des ehemaligen persischen Reiches habe ich
Städte gegründet und Kolonisten angesiedelt, bis in die Steppen Asiens und in
die indischen Dschungel. Überall dort gibt es jetzt Theater, in denen die
Tragödien von Sophokles und Euripides aufgeführt werden. Überall sind Schulen
und Sportplätze, Rathäuser und andere öffentliche Einrichtungen. Die Bewohner,
ob Makedonen, Griechen oder Einheimische, führen ein Leben in Würde. Als freie
Bürger, nicht als Untertanen eines Despoten.“
    „Sie sind deine Untertanen“, erwiderte Paruschjati
trocken.
    „Ich bin kein Despot!“
    „Du bist der Großkönig.“
    „Nein, ich bin Alexander, König der Makedonen, Hegemon der
Griechen und König von Asien. Ich habe mich ganz bewusst nie als Großkönig
bezeichnet. Zu viele negative Assoziationen.“
    „Trotzdem bist du faktisch der Nachfolger der Großkönige,
die von den Griechen immer so hartnäckig als Despoten hingestellt wurden. Statt
einem

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