Die Perserinnen - Babylon 323
erloschenen Feuers.
Vidarna war aufgebracht. Die makedonischen Offiziere
behandelten ihn und die anderen Perser in Babylon wie Luft, nicht einmal
Vischtaspa, der als Hipparch einen hohen Rang einnahm, wurde in die Entscheidungen
mit einbezogen. Peukestas war der einzige Makedone, der noch mit Persern
sprach. Er war es auch, der Vidarna auf dem Laufenden hielt: Im Alten Palast
herrschte vordergründig zwar endlich Ruhe, doch hinter den Kulissen spielte
sich einiges ab. Perdikkas tat alles, um nach und nach alle wichtigen Leute auf
seine Seite zu ziehen, indem er ihnen Ämter und Posten zuschanzte und großzügig
Beförderungen genehmigte.
„Jetzt, wo er offiziell zum Chiliarchen ernannt wurde, will
er das Kommando über die Erste Hipparchie der Gefährten-Reiterei abgeben – rate
mal, an wen: an Seleukos! Und was meinst du, wer an dessen Stelle das Kommando
über die Königlichen Schildträger übernimmt? Kassandros, Antipatros’ Sohn!
Dabei hat der noch nie in seinem Leben ein militärisches Kommando gehabt! Die
Makedonen lachen über ihn, und der König hat ihn immer ...“
Paruschjati unterbrach Vidarnas Redeschwall. „Weißt du, ob
auch ein gewisser Holkias befördert werden soll?“
„Holkias?“ Vidarna überlegte. „Ja, richtig, er ist im Gespräch
für eine Stelle als Taxiarch. Warum fragst du nach ihm?“
„Nur aus Neugier.“ Holkias war mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit Ephippos’ anonymer Informant gewesen. Offenbar sollte er
nicht weiter Gerüchte verbreiten, wonach die halbe makedonische Nomenklatur in
eine Verschwörung gegen das Leben des Königs verwickelt war.
„Jedenfalls dürfte auch Holkias ab jetzt auf Perdikkas’
Seite stehen. Sag mal, müssen wir eigentlich hier in der Hitze sitzen?“
Vor der Mittagshitze war Paruschjati ins Innere des Palasts
geflohen, doch nachdem es am späten Nachmittag wieder etwas abgekühlt hatte,
war sie in den Innenhof zurückgekehrt. „Wenn du tagelang in diesem
muffigen babylonischen Bunker gelegen hättest, wärest du auch froh, endlich
wieder an die frische Luft zu kommen.“
„Frisch?“ Vidarna tupfte sich mit dem Ärmel die
verschwitzte Stirn ab. Paruschjati gab einer Dienerin einen Wink, ihm kühlen
Wein zu bringen.
„Jedenfalls festigt Perdikkas seine Position, ohne dass
Meleagros etwas mitbekommt“, setzte Vidarna seinen Bericht fort. „Einige
Soldaten von der Reiterei haben sich öffentlich darüber beschwert, dass
Meleagros mit Perdikkas auf einer Stufe stehen soll – Peukestas ist sich
sicher, dass Perdikkas selbst dahintersteckt, aber das ist Meleagros natürlich nicht
klar. Er kommt also wutschnaubend zu Perdikkas und beschwert sich, Perdikkas
tut empört und verspricht, die Unruhestifter zu bestrafen. Meleagros bedankt
sich überschwänglich, er umarmt Perdikkas sogar und nennt ihn einen wahren
Freund. Der Dummkopf merkt nicht, wie sich die Schlinge um seinen Hals
zusammenzieht.“
Die Dienerin hatte den Wein gebracht, und Vidarna stürzte
ihn in einem Zug hinunter. Dann seufzte er erleichtert, als sei er kurz vor dem
Verdursten gewesen. „Morgen früh soll eine Zeremonie stattfinden, bei der sie
ihre ‚Versöhnung‘ offiziell besiegeln wollen. Nicht nur die von Perdikkas und
Meleagros, sondern die der ganzen Armee.“
Paruschjati horchte auf. „Eine Zeremonie?“
„Ja, irgendein barbarisches Ritual, das die Armee von
Blutschuld reinigen soll. Wenn du mich fragst, haben sie das auch bitter
nötig.“
„Ach ja, die Xanthika“, sagte Barsine. „Ein uraltes
Reinigungsritual, das jedes Jahr im Frühjahr durchgeführt wird, im Monat
Xanthikos, daher der Name. Das Ritual findet auch statt, wenn ein König
gestorben ist und ein neuer seine Nachfolge antritt.“
Am Nachmittag hatte ein Eunuch eine Nachricht von Barsine
überbracht: Ob Paruschjati Lust habe, sich gegen Abend, wenn es wieder etwas
kühler war, mit ihr in den Gärten am Fluss zu treffen? Barsine hatte angeblich
eine Überraschung für sie.
„Ausgeschlossen!“, hatte Frataguna erklärt. „Ich verstehe
nicht, was Barsine sich dabei denkt! Sie weiß doch, dass es dir noch nicht gut
genug geht. Wie kann sie dir da zumuten, den langen Weg zu den Gärten auf dich
zu nehmen und dann stundenlang in der Hitze zu schmoren?“
Doch Paruschjati hatte sich nicht abschrecken lassen. Sie
war selbst überrascht, wie schnell sie sich erholt hatte. Wenn das so
weiterging, würde sie bald aufbrechen können. Die Schmerzen waren verschwunden,
das Fieber war
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