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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Fuchs
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dessen Vorhänge sich auf dem Achterdeck in der
Abendbrise bauschten.
    Die Barke hielt auf den Kai unterhalb der Palastmauer zu.
Schildträger marschierten auf. Das Stimmengewirr auf der Mauer wurde lauter, je
mehr die Barke sich näherte. Die Besatzung ließ das Segel herab, die Ruderer
brachten ihr Schiff längsseits zum Kai, dann holten sie die Ruder ein und
warfen ihren Kollegen an Land die Taue zu, mit denen diese die Barke heranzogen
und fest vertäuten. Andere liefen herbei und brachten den Landesteg.
    Ein Strom von Menschen ergoss sich über die Planke, dann
riss er plötzlich ab. Die Vorhänge des Zeltes auf dem Achterdeck öffneten sich.
Eine Bahre wurde heraus- und dann über den Landesteg getragen, empfangen vom
Begrüßungsgeschrei der wartenden Menge. Die Gestalt auf der Bahre regte sich
nicht, und die Rufe verstummten nach und nach. Bald hallte die Nacht nur noch
wider von den Kommandos der Offiziere und den Rufen der Bootsleute, während
oben auf der Mauer tiefes Schweigen herrschte.

10
    Die Kavalkade kam von den nahe gelegenen Bergen herab. Im
klaren Licht der Abendsonne war sie schon von Weitem zu erkennen, an der
Staubfahne, die von ihr aufstieg und nach Westen wehte, ein helles Band vor dem
blaugrauen Hintergrund der Berge. Sobald die Reiter in Sicht kamen, brach
Aufruhr in der Stadt aus. Die Bevölkerung drängte vor die Stadttore, um die
Ankunft des Königs zu erwarten.
    Paruschjati stand mit ihrer Mutter unter den Frauen aus dem
Palast, abgeschirmt durch mehrere Reihen makedonischer Gardisten. Schon einmal,
erinnerte sie sich, hatten sie vor den Toren von Schuscha auf die Ankunft des
Großkönigs gewartet. Damals waren sie wie Bettlerinnen gekleidet gewesen, Verfolgte
auf der Flucht. Das waren sie nun nicht mehr, und doch sahen sie kaum anders
aus als damals, schwarz gekleidet, ohne Schmuck, die Gesichter mit Asche
beschmiert.
    Die Kolonne geriet vorübergehend hinter dem nächstgelegenen
Hügel außer Sicht. Paruschjatis Augen, die vom angestrengten
In-die-Ferne-Starren wehtaten, wanderten über die Reihen schwarz gekleideter
Frauen. Sie sehen aus wie Krähen auf einem frisch besäten Feld, fuhr es
ihr durch den Kopf. Nur dass sie unnatürlich still waren; still und vollkommen
regungslos, obwohl sie schon seit Stunden warteten. Die Königinmutter stand mit
ihren Enkelkindern ganz vorn. Paruschjati konnte ihre Gesichter nicht sehen,
sie wusste nicht, ob sie weinten oder immer noch mit starren Augen ins Nichts
blickten.
    Die Reiter kamen wieder in Sicht. Keine makedonischen
Truppen, sondern Parsa in farbenprächtigen Gewändern. Die vergoldeten Spitzen
ihrer Lanzen blitzten im Sonnenlicht. Es war genauso, wie es früher gewesen
war. Sie kamen nun schnell näher. In ihrer Mitte fuhr ein Wagen, der von
schwarzen Pferden gezogen wurde. Mit Gold beschlagene Pfosten trugen einen
Baldachin, von dem purpurne Vorhänge herabfielen. Der Großkönig kehrte mit
allem ihm zustehenden Prunk nach Hause zurück.
    Die Reiter schwärmten aus und bildeten ein Spalier zu beiden
Seiten der Straße. Der Wagen rollte rasselnd hindurch, bis er kurz vor den
wartenden Frauen zum Stehen kam. Der vorderste Reiter stieg ab und schritt auf
die Königinmutter zu. Paruschjati erkannte ihn, es war Okschatra, der Bruder des
Großkönigs. Die Vorhänge des Wagens wurden zur Seite gezogen, und die Menge,
die sich vor den Mauern der Stadt drängte, stöhnte auf.
    Sissingambri löste sich aus der Reihe der Frauen und trat an
den Wagen, gestützt auf Okschatras Arm. Zum ersten Mal, seit sie sie kannte,
sah Paruschjati die Königinmutter nicht stolz aufgerichtet, sondern gebeugt und
in sich zusammengesunken, als sie die Hand auf die Totenbahre ihres Sohnes
legte.

Babylon, 25. Daisios
    Die Türen zu den königlichen Gemächern waren verschlossen,
die Wachen davor beantworteten keine Fragen. Paruschjati stand draußen im Hof
vor dem Eingang und starrte auf die schweren, bronzebeschlagenen Flügel. Trotz
der vielen Menschen, die sich vor ihnen drängten, war die Atmosphäre gedrückt.
Die meisten warteten schweigend oder redeten nur mit gedämpfter Stimme. Wie es
hieß, fand hinter den Türen eine Offiziersversammlung statt. Paruschjati machte
sich auf langes Warten gefasst.
    Immer noch gab es keine offizielle Verlautbarung zum
Befinden des Königs, obwohl der gesamte Hof gestern Abend Zeuge geworden war,
wie er auf einer Bahre in den Palast getragen wurde. Vielleicht, überlegte
Paruschjati, sah es schlimmer aus, als es war,

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