Die Perserinnen - Babylon 323
den
Palast in Parsa niedergebrannt hatte. Paruschjati erinnerte sich noch gut an
die Fassungslosigkeit, mit der die Nachricht aufgenommen wurde. Parsa war mehr
als nur eine königliche Residenz wie Babiru oder auch Schuscha – es war der
zeremonielle Mittelpunkt des Reiches gewesen. Mit dem Palast in Parsa war es
unwiderruflich zu Asche zerfallen, auch wenn der Großkönig noch lebte.
„Endlich hat Alaksanda sein wahres Gesicht gezeigt“, zischte
Parmusch hasserfüllt und spuckte auf den Palastboden. „Bisher hat er so getan,
als ob er uns Parsa Achtung entgegenbringt, aber in Wirklichkeit ist er nur ein
Barbar, der nichts als Blutvergießen und Zerstörung über die Welt bringt. Doch
der Großkönig und Atarepata werden ein neues Heer aufstellen. Im Osten gibt es
noch genügend Krieger, die sich dem Frevler entgegenstellen werden. Sie werden
ihn vernichten!“
Darajavahusch hatte sich mit den Resten seines Heeres nach
Hangmatana zurückgezogen, der Hauptstadt von Mada, wo Parmuschs Ehemann
Atarepata Kschatrapavan war. Doch keiner glaubte noch daran, dass jemand
Alexander aufhalten konnte, am wenigsten Darajavahusch, der schon zweimal vor
ihm geflohen war. Und tatsächlich traf einige Monate später die Nachricht ein,
dass Darajavahusch auch Hangmatana preisgegeben hatte. Immer weiter flüchtete
er vor dem Feind nach Osten.
Doch letzten Endes war es nicht Alexander gewesen, der für
Darajavahuschs Tod verantwortlich war. Seine eigenen Gefolgsleute hatten ihn
verraten. Enttäuscht von seinem ständigen Zurückweichen, seinem Mangel an
Erfolg und vor allem an Mut, hatten sie von ihm verlangt abzudanken. An seiner
Stelle sollte Baisa, der Kschatrapavan von Baktri, als neuer Großkönig den
Kampf gegen die Eindringlinge fortsetzen. Darajavahusch weigerte sich. Die
Meuterer legten ihn in Ketten und schleppten ihn auf ihrer Flucht nach Osten
mit sich. Schließlich ließen sie ihn sterbend auf der Straße zurück, wo
Alexander ihn fand. So war das Ende von Darajavahusch. Doch sein Reich war
bereits vor ihm untergegangen. Er selbst war schon tot gewesen, lange bevor die
Verräter ihre Dolche in seine Brust stießen.
„Lassen sie dich auch nicht rein?“, fragte eine Stimme neben
ihr.
Der junge Mann, zu dem sie gehörte, lächelte Paruschjati an,
und so lächelte sie zurück. „Nein, aber ich warte so lange, bis sie nachgeben.“
„Mich haben sie auch weggeschickt. Sie sagen, ich störe.“
Arridaios setzte sich im Schneidersitz neben Paruschjatis
Stuhl auf den Teppich, so ungezwungen, als hielte er sich in seinen
Privaträumen auf und nicht in der Halle des Königs. Äußerlich war ihm wenig
anzumerken, aber etwas war immer an ihm, was die Menschen irritierte.
„Wenn ich etwas will, was sie mir nicht geben wollen, werfe
ich mich einfach auf den Boden und fange an zu schreien“, erklärte er. „Das
solltest du auch mal versuchen.“ Paruschjati starrte ihn verblüfft an, und er
versicherte: „Es funktioniert immer.“
Der Halbbruder des Königs wirkte fast noch ein wenig
kindlich, obwohl er ein oder zwei Jahre älter sein musste als er. Sein Gesicht
war fein geschnitten und die Oberlippe so stark geschwungen, dass er immer zu
lächeln schien. Man musste zweimal hinsehen, um eine Ähnlichkeit zwischen den
Brüdern zu erkennen. Arridaios hatte dunkles Haar, das dicht und glatt an
seinem Kopf anlag wie eine Kappe.
Die Tür öffnete sich. Ein Mann kam heraus und wechselte ein
paar Worte mit Peithon, dem Leibwächter. Obwohl Paruschjati ihn nur bei wenigen
Gelegenheiten gesehen hatte, erkannte sie ihn sofort. Kassandros, Antipatros’
Sohn, war nicht das, was man als Augenweide bezeichnen würde. Er hatte O-Beine
und ein blasses, unattraktives Gesicht. Obwohl er noch jung war, hatten sich
seine Haare bereits gelichtet. Wenn man Ephippos Glauben schenken wollte, war
Kassandros die treibende Kraft hinter der Verschwörung gegen den König, im
Auftrag seines Vaters, des Statthalters von Europa. Ein Schauder lief
Paruschjati über den Rücken.
„Kassandros ist ein böser Mensch“, flüsterte Arridaios.
Sie warf ihm einen erschrockenen Blick zu. „Warum sagst du
das?“
„Ich spüre es.“ Mit seinen klaren grauen Augen blickte er
treuherzig zu ihr auf. „Alexander kann ihn auch nicht leiden.“
Verrückte, hieß es, hatten manchmal die Gabe, Menschen zu
durchschauen. Die Götter hatten sie ihnen verliehen, als Ausgleich für all das
andere, was sie ihnen vorenthalten hatten. „Und Medios?“, fragte
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