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Die Pest (German Edition)

Die Pest (German Edition)

Titel: Die Pest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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musste wahrhaftig für alle sprechen.
    Aber es gibt wenigstens einen unter unseren Mitbürgern, für den Doktor Rieux nicht sprechen konnte. Es geht tatsächlich um den, über den Tarrou eines Tages zu Rieux gesagt hatte: «Sein einziges wirkliches Verbrechen ist, dass er in seinem Herzen etwas gutgeheißen hat, was Kindern und Männern den Tod brachte. Alles Übrige verstehe ich, aber das muss ich ihm verzeihen.» Es ist recht und billig, dass diese Chronik mit ihm endet, der ein unwissendes, das heißt einsames Herz hatte.
    Als Doktor Rieux die lärmenden großen Straßen des Festes hinter sich ließ und eben in Grands und Cottards Straße einbog, wurde er tatsächlich von einer Polizeisperre aufgehalten. Darauf war er nicht gefasst. Das ferne Tosen des Festes ließ das Viertel ruhig erscheinen, und er stellte es sich ebenso verlassen wie still vor. Er zeigte seine Visitenkarte vor.
    «Ausgeschlossen, Herr Doktor», sagte der Polizist. «Ein Verrückter schießt in die Menge. Aber bleiben Sie hier, Sie könnten gebraucht werden.»
    Im gleichen Augenblick sah Rieux Grand auf sich zukommen. Grand wusste auch nichts. Man ließ ihn nicht durch und er hatte erfahren, dass aus seinem Haus geschossen wurde. Von weitem sah man tatsächlich die vom letzten nicht wärmenden Licht einer Sonne vergoldete Fassade. Darum herum zeichnete sich ein großer leerer Raum ab, der sich bis zum gegenüberliegenden Bürgersteig erstreckte. Mitten auf der Fahrbahn erkannte man deutlich eine Fahne und ein schmutziges Stück Stoff. Rieux und Grand konnten sehr weit weg, auf der anderen Straßenseite, eine Polizeikette sehen, parallel zu der, die sie vom Weitergehen abhielt, und dahinter einige Bewohner des Viertels, die hin und her eilten. Bei genauerem Hinsehen bemerkten sie auch Polizisten, die sich mit dem Revolver in der Hand in die dem Haus gegenüberliegenden Eingänge duckten. Dessen Fensterläden waren alle geschlossen. Im zweiten Stock schien einer der Läden halb losgehakt. Auf der Straße herrschte absolute Stille. Man hörte nur Musikfetzen, die aus dem Stadtzentrum kamen.
    Irgendwann knallten aus einem der Gebäude gegenüber dem Haus zwei Revolverschüsse, und von dem ausgehängten Fensterladen sprangen Splitter ab. Dann trat wieder Stille ein. Von weitem und nach dem Getöse des Tages wirkte es für Rieux etwas unwirklich.
    «Das ist Cottards Fenster», sagte Grand auf einmal ganz aufgeregt. «Aber Cottard ist doch verschwunden.»
    «Warum wird geschossen?», fragte Rieux den Polizisten.
    «Er soll hingehalten werden. Wir warten auf einen Wagen mit dem nötigen Material, weil er auf die schießt, die durch den Eingang ins Haus zu gelangen versuchen. Ein Polizist wurde getroffen.»
    «Warum hat er geschossen?»
    «Das weiß man nicht. Die Leute haben sich auf der Straße vergnügt. Beim ersten Schuss haben sie nichts begriffen. Beim zweiten haben sie geschrien, einer wurde verletzt, und alle sind davongerannt. Ein Verrückter, was sonst!»
    In der wieder eingekehrten Stille schienen die Minuten schleichend zu vergehen. Plötzlich sahen sie auf der anderen Straßenseite einen Hund auftauchen, der erste, den Rieux seit langem sah, ein schmutziger Spaniel, den seine Herren wohl bisher versteckt hatten und der an den Mauern entlangtrottete. Als er in die Nähe der Tür kam, zögerte er, setzte sich auf sein Hinterteil und verrenkte sich, um seine Flöhe zu fressen. Mehrere Polizisten pfiffen nach ihm. Er hob den Kopf und beschloss dann, langsam die Fahrbahn zu überqueren, um an dem Hut zu schnuppern. Im gleichen Augenblick kam aus dem zweiten Stock ein Schuss, und der Hund überschlug sich, zuckte heftig mit den Pfoten, legte sich schließlich von lang anhaltenden Krämpfen geschüttelt auf die Seite. Als Antwort zerfetzten fünf oder sechs Schüsse aus den Eingängen gegenüber den Fensterladen noch weiter. Dann trat wieder Stille ein. Die Sonne war ein Stückchen gewandert, und der Schatten näherte sich Cottards Fenster. Auf der Straße hinter dem Arzt quietschten leise Bremsen.
    «Da sind sie», sagte der Polizist.
    Hinter ihnen tauchten Polizisten auf, die Seile, eine Leiter und zwei längliche, in Öltuch gewickelte Pakete trugen. Sie bogen in eine Straße ein, die um den Gebäudekomplex gegenüber von Grands Haus führte. In den Eingängen dieser Häuser erriet man kurz darauf, mehr als man es sah, eine gewisse Unruhe. Dann wartete man. Der Hund rührte sich nicht mehr, aber er schwamm jetzt in einer dunklen Lache.
    Auf

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