Die Pest (German Edition)
allabendlich, ehe er sein in ein Meer von gehäkelter Spitze getauchtes Zimmer betrat, musste er den Rücken seiner Wirtin ansehen, die in ihrem Salon saß, während er die Erinnerung an ihr «Guten Abend, Pater» mitnahm, das sie unfreundlich und ohne sich umzudrehen an ihn richtete. An einem dieser Abende, als er mit einem Pochen im Kopf zu Bett ging, fühlte er an seinen Handgelenken und Schläfen die entfesselte Flut eines Fiebers ausbrechen, das er seit mehreren Tagen ausbrütete.
Was folgte, wurde erst später durch die Berichte seiner Wirtin bekannt. Am Morgen war sie wie gewohnt früh aufgestanden. Nach einiger Zeit hatte sie sich gewundert, dass der Pater nicht aus seinem Zimmer kam, und hatte sich nach langem Zögern entschlossen, an seine Tür zu klopfen. Sie hatte ihn nach einer schlaflosen Nacht noch im Bett vorgefunden. Er litt unter Atemnot, und sein Gesicht schien noch stärker blutunterlaufen als sonst. Nach ihren eigenen Worten hatte sie ihm höflich vorgeschlagen, einen Arzt holen zu lassen, aber ihr Vorschlag war mit einem Ungestüm abgelehnt worden, das sie bedauerlich fand. Sie hatte sich nur zurückziehen können. Etwas später hatte der Pater geläutet und sie zu sprechen gewünscht. Er hatte sich für seinen Anfall von schlechter Laune entschuldigt und erklärt, es könne auf keinen Fall die Pest sein, denn er weise keines der Symptome auf, es handle sich um eine vorübergehende Ermüdung. Die alte Dame hatte ihm würdevoll geantwortet, ihr Vorschlag sei keiner derartigen Befürchtung entsprungen, sie habe nicht ihre eigene Sicherheit im Auge, die in den Händen Gottes liege, sondern sie habe nur an die Gesundheit des Paters gedacht, für die sie sich teilweise verantwortlich fühle. Aber da er nichts weiter sagte, hatte seine Wirtin, wenn man ihr glauben will, in dem Wunsch, ihre Pflicht zu tun, noch einmal vorgeschlagen, seinen Arzt holen zu lassen. Wieder hatte der Pater abgelehnt, aber Erklärungen dazu abgegeben, die die alte Dame sehr verworren gefunden hatte. Sie glaubte lediglich verstanden zu haben, und gerade das erschien ihr unbegreiflich, dass der Pater diese Untersuchung ablehnte, weil sie nicht mit seinen Prinzipien übereinstimme. Sie hatte daraus geschlossen, dass das Fieber die Gedanken ihres Mieters verwirrte, und hatte sich darauf beschränkt, ihm Tee zu bringen.
Immer noch entschlossen, die Verpflichtungen zu erfüllen, die die Situation mit sich brachte, hatte sie den Kranken regelmäßig alle zwei Stunden besucht. Am meisten war ihr die dauernde Erregung aufgefallen, in der der Pater den Tag verbracht hatte. Er warf seine Decke zurück und zog sie wieder an sich, fuhr sich unentwegt mit den Händen über die feuchte Stirn und richtete sich häufig auf, um zu versuchen, einen erstickten, rasselnden und feuchten Husten gleichsam aus sich herauszureißen. Es schien ihm dann unmöglich, Wattebäusche aus der Tiefe seiner Kehle herauszuwürgen, die ihn erstickten. Nach diesen Krisen ließ er sich mit allen Anzeichen von Erschöpfung zurückfallen. Dann schließlich richtete er sich wieder halb auf und blickte einen kurzen Augenblick mit einer Starrheit vor sich hin, die noch heftiger war als die vorangegangene Erregung. Aber die alte Dame zögerte noch, einen Arzt zu holen und ihrem Kranken zuwiderzuhandeln. Es konnte ein bloßer Fieberanfall sein, so auffällig er auch scheinen mochte.
Am Nachmittag jedoch versuchte sie mit dem Pater zu sprechen und bekam nur ein paar wirre Worte zur Antwort. Sie wiederholte ihren Vorschlag. Aber da richtete sich der Pater auf und antwortete, obwohl er halb erstickte, deutlich, er wolle keinen Arzt. Darauf beschloss die Wirtin, bis zum nächsten Morgen zu warten, und wenn sich der Zustand des Paters nicht gebessert hatte, die Telefonnummer anzurufen, die die Agentur Ransdoc ein Dutzend Mal am Tag im Radio wiederholte. Weiterhin auf ihre Pflichten bedacht, nahm sie sich vor, während der Nacht nach ihrem Mieter zu sehen und bei ihm zu wachen. Aber nachdem sie ihm abends frischen Tee gebracht hatte, wollte sie sich nur ein wenig hinlegen und wachte erst am frühen Morgen des nächsten Tages wieder auf. Sie eilte in das Schlafzimmer.
Der Pater lag regungslos da. An die Stelle der unnormalen Rötung vom Vortag war eine Art Fahlheit getreten, die umso auffälliger war, als die Formen des Gesichts noch voll waren. Der Pater starrte auf den kleinen Kronleuchter aus bunten Perlen, der über dem Bett hing. Beim Eintritt der kleinen Dame wandte er
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