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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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in der City, wie ich vorher schon sagte, ohne Arbeit, und das führte dazu, daß unzählige Handwerksgesellen und Arbeiter aller Arten fortgeschickt und entlassen wurden, da ja in diesen Betrieben nichts mehr getan wurde, außer was absolut notwendig war.
    Aus diesem Grunde stand das Gros der unverheirateten Männer mittellos da und ebenso die Familien, deren Lebensunterhalt davon abhing, daß das Familienhaupt Arbeit hatte; ich sage, dies brachte sie ins äußerste Elend; und ich kann nur beteuern, wie sehr es der Stadt London zur Ehre gereicht und noch lange Zeit, solange man hiervon spricht, gereichen wird, daß man imstande war, die Not so vieler Tausender, die dann krank wurden und Mangel litten, mit wohltätiger Fürsorge zu beheben, so daß man mit gutem Gewissen sagen kann, niemand sei vor Hunger umgekommen, jedenfalls solange die Behörden in Kenntnis gesetzt wurden.
    Dieser Stillstand unserer Geschäftstätigkeit mit dem Lande hätte die Leute dort in noch größere Schwierigkeiten gebracht, wenn nicht die Meister bestimmter Gewerbe, Kleidermacher und andere, bis zur Erschöpfung ihrer Vorräte und Mittel mit der Herstellung ihrer Waren fortgefahren hätten, um die Armen 283

    beschäftigt zu halten, in der Erwartung, daß sobald die Krankheit nachlasse, eine um so lebhaftere Nachfrage nach ihren Erzeugnissen den vorübergehenden Rückgang wettmachen werde. Aber da das sich nur die reichen Meister leisten konnten, viele aber nicht die Mittel dafür besaßen, litt das Gewerbe in England große Verluste, und die Armen in ganz England bekamen es zu spüren, was allein die Pest in London bedeutete.
    Freilich brachte ihnen das nächste Jahr durch eine weitere schreckliche Katastrophe, die über die Stadt kam, eine volle Entschädigung; so stürzte die Stadt durch die eine Katastrophe das Land in Armut und Leiden, und durch die andere, ebenfalls schrecklicher Natur, machte sie das Land zum Ausgleich wieder wohlhabend; denn eine unübersehbare Menge von Haushaltsgütern, Bekleidungsgegenständen und anderen Sachen, neben ganzen Speichern voll von Waren und Erzeugnissen, wie sie aus allen Teilen Englands kommen, wurden in dem Jahre nach dieser furchtbaren Heimsuchung bei dem Brande Londons vernichtet. Es ist unglaublich, was das für ein Geschäft im ganzen Königreich in Gang setzte, diese Verluste wieder gutzumachen und den Bedarf aufzuholen; so daß, kurz gesagt, jede arbeitsfähige Hand im Lande eingesetzt wurde, und das reichte mehrere Jahre lang kaum aus, um den Markt zu versorgen und die Nachfrage zu befriedigen. Die ausländischen Märkte waren alle ebenfalls leer von unseren Gütern, so lange hatte die Unterbrechung durch die Pest bis zur Wiederzulas-sung des Handels gedauert; und zusammen mit dem außergewöhnlichen Bedarf, der daheim anfiel, ergab das einen raschen Abfluß für alle möglichen Waren; und so hat man niemals einen solchen Handel und Wandel in ganz England gesehen wie in den sieben ersten Jahren nach der Pest und nach dem Brand von London.
    Es bleibt mir nun noch übrig, etwas von den gnädigen Seiten des schrecklichen Strafgerichts zu sagen. In der letzten Woche im September setzte die Krise der Pest ein, und ihre Wut ließ 284

    nach. Ich erinnere mich, wie mein Freund Dr. Heath mich in der Woche davor besuchte und mir sagte, er sei sicher, das Schlimmste werde nun in ein paar Tagen vorüber sein; aber als ich dann sah, daß das Totenregister für die Woche die höchste Zahl im ganzen Jahr, 8297 Tote an allen Krankheiten, ver-zeichnete, zankte ich mit ihm deswegen und fragte ihn, wie er denn zu einem solchen Schluß komme. Er war jedoch um eine Antwort nicht so verlegen, wie ich gemeint hatte. »Schau her«, sagte er, »nach der Zahl derer, die gegenwärtig krank und infiziert sind, hätten letzte Woche zwanzigtausend und nicht nur achttausend sterben müssen, wenn die alte Todesseuche noch so stark gewesen wäre, wie sie vor zwei Wochen war; damals führte sie in zwei oder drei Tagen zum Tode, jetzt braucht sie nie weniger als acht oder zehn dafür, und damals wurde nicht mehr als einer unter fünfen wieder gesund, während ich jetzt beobachte, daß nicht mehr als zwei unter fünfen dahingehen. Und, laß es dir gesagt sein, das nächste Mal wird das Totenregister gesunken sein, und du wirst viel mehr Leute wieder gesund werden sehen als bisher; denn mögen auch sehr viele jetzt überall infiziert sein und ebensoviele jeden Tag neu krank werden, so viele wie schon verschieden sind, werden

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