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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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erschreckend hohe Zahl für sie.
    Hierüber berieten sie sich aufs neue; und jetzt brauchten ja die Städte nicht mehr in Angst zu sein, sie könnten sich in ihrer Nähe festsetzen; sondern im Gegenteil, jetzt hatten verschiedene Familien der ärmeren Bevölkerungsschicht ihre Häuser verlassen und sich Hütten im Walde gebaut, auf die gleiche Art, wie sie es getan hatten. Aber man mußte feststellen, daß einige dieser armen Leute, die so fortgezogen waren, auch in ihren Hütten oder Bretterbuden die Krankheit hatten; der Grund dafür war klar, nämlich: Es lag nicht daran, daß sie ins Freie gezogen waren, sondern daran (1.), daß sie nicht zeitig genug fortgezogen waren; das heißt, sie waren erst gegangen, als sie durch den uneingeschränkten Verkehr mit anderen Menschen, ihren Nachbarn, die Pest schon am Leibe hatten, 187

    jedenfalls (soviel wird man sagen können) der eine oder andere von ihnen, und so nahmen sie sie dorthin mit, wo sie hingin-gen. Oder (2.) es lag daran, daß sie, nachdem sie sich aus der Stadt in Sicherheit gebracht hatten, so unvorsichtig gewesen waren, wieder zurückzukehren und sich unter die Kranken zu mischen.
    Aber aus welchem von diesen beiden Gründen es auch gewesen sein mag, als unsere Wanderer erst sahen, daß die Pest nicht nur in den Ortschaften war, sondern in den Hütten und Lauben bei ihnen im Walde, da fingen sie freilich an, sich zu fürchten und an Aufbruch und Abzug zu denken; denn wären sie geblieben, hätten sie ihr Leben in offene Gefahr gebracht.
    Man braucht sich nicht zu wundern, daß es sie höchlichst betrübte, den Platz, wo sie so freundlich aufgenommen worden und wo sie mit so viel Menschlichkeit und Nächstenliebe behandelt worden waren, verlassen zu müssen; aber die Notwendigkeit und die Gefahr für ihr Leben, das zu bewahren sie den weiten Weg hinausgekommen waren, gaben den Ausschlag, und sie sahen keine andere Möglichkeit. John jedoch dachte an etwas, das ihnen vielleicht zunächst weiterhelfen würde, nämlich daß er zuerst dem Herrn, der ihr Hauptwohltä-
    ter war, ihre Notlage anvertrauen und um seinen Beistand und Rat ersuchen wolle.
    Der gute, liebenswürdige Herr riet ihnen zu, den Ort zu verlassen, sei doch zu befürchten, es könnte ihnen durch das heftige Wüten der Seuche überhaupt jeder Rückzug abge-schnitten werden; aber wohin sie gehen sollten, ihnen da eine Weisung zu geben, fand er sehr schwer. Schließlich fragte ihn John, ob er, da er doch ein Friedensrichter sei, ihnen anderen Friedensrichtern gegenüber, mit denen sie vielleicht zu tun haben würden, ihre Gesundheit bescheinigen wolle, so daß sie, was immer sonst ihnen beschieden sei, jedenfalls nicht zurückgewiesen werden könnten, wo sie nun doch schon so lange von London fort seien. Dies gewährte ihnen Seine Gnaden sofort, 188

    und er stellte ihnen amtliche Gesundheitsbescheinigungen aus, aufgrund derer sie frei waren, überall hinzureisen, wo sie wollten.
    So hatten sie also ein vollgültiges Gesundheitsattest, das angab, sie seien in einem Ort in der Grafschaft Essex so lange ansässig gewesene, daß nach eingehender Untersuchung und Prüfung und nach einer Absonderung von jeglichem Umgang für mehr als vierzig Tage, ohne daß irgendein Anzeichen der Krankheit zu erkennen sei, sie also folglich als gesunde Menschen angesehen werden müßten und ohne Gefahr überall aufgenommen werden könnten, nachdem sie nunmehr, keineswegs weil irgend etwas bei ihnen oder einem der Ihren auf Ansteckung deute, sondern lediglich aus Angst vor der Pest, die an den Ort so-und-so gelangt sei, ihren Wohnsitz aufgegeben hätten.
    Mit diesem Attest machten sie sich auf den Weg, wenn auch mit großem Widerstreben; und da John nicht geneigt war, zu weit fort von daheim zu gehen, zogen sie nach den Marschen bei Waltham. Aber hier trafen sie einen Mann, einen Schleu-senwächter scheint es, bei einem Wehr oder Staudamm, der das Wasser für die Lastkähne, die den Fluß hinauf- und hinabfahren, steigen läßt, und der machte ihnen Angst mit Schauerge-schichten, daß die Krankheit sich über alle Orte am Fluß und in der Nähe des Flusses ausgebreitet habe; jedenfalls auf der Seite von Middlesex und Hertfordshire; so zum Beispiel sei sie in Waltham, in Waltham Cross, in Enfield und Ware und allen Ortschaften an der Straße; so fürchteten sie sich, dorthin zu gehen, obschon es scheint, der Mann hatte ihnen nur einen Schrecken eingejagt, und es war gar nicht wahr.
    Jedoch machte es ihnen Angst, und sie

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