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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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versorgen, oder nicht. Die, die Geld hatten, flohen immer am weitesten fort, weil sie in der Lage waren, ihren Unterhalt zu bestreiten; aber die, die mittellos waren, litten, wie ich schon sagte, großen Mangel und gingen oft notgedrungen dazu über, ihren Bedarf auf Kosten des Landes zu decken. Auf diese Weise wurde das Land von ihnen in große Unruhe versetzt, und manchmal wurden sie festgenommen, wenn man dann freilich auch kaum wußte, was man mit ihnen machen sollte und immer sehr zurückhaltend war, sie zu bestrafen, aber oft zwang man sie auch von einem Ort zum andern, bis sie wieder nach London zurückkehren mußten.
    Ich habe, seit ich diese Geschichte von John und seinem Bruder kannte, weiter herumgehört und erfahren, daß eine Menge von den armen, bedrängten Menschen, wie oben, nach jeder Richtung aufs Land geflohen waren; und manche von ihnen hatten kleine Schuppen und Scheunen und Vorwerke, um darin zu leben; und sie haben sehr viel Entgegenkommen von den Landbewohnern finden können und besonders, wenn sie eine auch nur notdürftig zufriedenstellende Auskunft über sich geben konnten und vor allem, wenn sie nicht zu spät von London aufgebrochen waren.
    Andere wiederum, und ihre Zahl war groß, bauten sich kleine Hütten und Notwohnungen in den Feldern und Wäldern, oder lebten wie Einsiedler in Höhlen und Erdlöchern oder sonst an einem Platz, den sie finden konnten, und sie litten dort, das ist sicher, große Not, so sehr, daß viele von ihnen wieder umkeh-ren mußten, wie groß auch immer die Gefahr war; und so fanden sich diese kleinen Hütten oft leer, und die Landleute nahmen an, daß ihre Bewohner tot, an der Pest gestorben, darin lägen, und wagten sich aus Furcht nicht in die Nähe, nein, noch 192

    eine ganze Zeit nicht; und es ist auch gar nicht unwahrscheinlich, daß mancher von den unglücklichen Herumirrenden so ganz allein gestorben sein mag, manchmal vielleicht einfach aus Mangel an Hilfe, so wie man zum Beispiel in einer solchen Hütte einen Mann tot auffand, und auf einem Feldtor ganz in der Nähe waren mit seinem Messer in ungleichmäßigen Buchstaben die folgenden Worte eingekerbt, aus denen man entnehmen mag, daß einer von ihnen davongekommen ist oder daß einer starb und von dem andern beerdigt wurde, so gut es ging:

    »s’St ein ELEnD,
    wir Sind AM eNd,
    AllE BeIdE.«

    Ich habe schon davon gesprochen, was ich über die Verhältnisse, die unter den seefahrenden Leuten den Fluß hinab herrschten, erfahren konnte; wie die Schiffe vom Ufer ablagen, in Reihen hintereinander aufgereiht, die ganze Strecke vom Pool hinunter, so weit ich sehen konnte. Man hat mir erzählt, sie lagen auf gleiche Art gar bis nach Gravesend hinab und manche noch weit darüber hinaus, eigentlich überall oder jedenfalls überall dort, wo sie vor Wind und Wetter Sicherheit fanden; auch habe ich nicht gehört, daß die Pest jemals einen der Menschen an Bord dieser Schiffe erreicht hat, außer bei denen, die oben im Pool lagen, oder noch weiter oberhalb wie bei Deptford Reach, und diese Leute gingen freilich auch oft an Land, in die kleinen Städte und Dörfer und auf die Gutshöfe, um frische Lebensmittel, Geflügel, Schweine, Kälber und so fort für ihre Verpflegung zu kaufen.
    Ebenso erfuhr ich, daß die Fährleute auf dem Fluß oberhalb der Brücke alles daransetzten, um sich, den Fluß hinauf, so weit sie konnten, fortzubegeben und daß viele von ihnen ihre ganzen Familien auf den Booten hatten, die sie mit Dächern 193

    aus Segeltuch verdeckten und zum Schlafen innen mit Stroh auslegten, und daß sie so das ganze Ufer bei den Marschen entlang lagen; einige bauten sich aus ihren Segeln kleine Zelte und blieben in ihnen den Tag über am Ufer, und abends gingen sie wieder in die Boote; und auf diese Weise waren die Fluß-
    ufer, so habe ich gehört, mit Booten und Menschen gesäumt, solange sie nur etwas zum Leben hatten oder auf dem Lande bekommen konnten; und die Leute auf dem Lande waren in der Tat sehr bereitwillig, sowohl die Herrschaften wie die anderen, in diesen und anderen Fällen zu helfen, sie waren jedoch keineswegs willens, sie in ihre Städte und Häuser aufzunehmen, was man ihnen auch nicht verdenken kann.
    Da war ein unglücklicher Zeitgenosse, von dem ich Kenntnis erhielt; er war auf grauenvolle Weise heimgesucht worden, dergestalt, daß seine Frau und seine Kinder tot waren, und nur er und zwei Hausmägde übrig, nebst einer ältlichen Frau, einer nahen Verwandten, die sie alle, die

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