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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Bettdecken zu machen, so lagen sie doch feucht und hart und ungesund, bis dieses Stroh kam, das für sie wie Federbetten war und, wie John sagte, willkommener, als es Federbetten zu einer anderen Zeit gewesen wären.
    Nachdem dieser Herr und der Geistliche einmal angefangen und ein Beispiel der Nächstenliebe gegenüber unseren Wanderern gegeben hatten, folgten andere rasch nach, und sie empfingen jeden Tag irgendeine freundliche Gabe dieser oder jener Art von den Leuten, in der Hauptsache jedoch von den Herrschaften, die rundherum in der Gegend wohnten. Manche schickten ihnen Stühle, Hocker, Tische und an Haushaltsgü-
    tern, was sie sonst verlauten ließen, daß sie benötigten; manche schickten ihnen Decken und Bettücher, manche schickten Tontöpfe und manche Küchengefäße, um darin Nahrungsmittel zu bestellen.
    Durch diese Übung ermutigt, baute ihnen der Zimmermann in wenigen Tagen ein großes schuppenartiges Haus mit einem richtigen Dachstuhl und einem Obergeschoß, in dem sie warm wohnen konnten, denn das Wetter begann Anfang September feucht und kühl zu werden. Aber dieses Haus, mit seinem dichten Strohdach und seinen starken Seitenwänden, hielt die Kälte ziemlich gut ab. An einer Seite errichtete er zudem eine Lehmmauer mit einem Kamin darin, und ein anderer von ihnen setzte unter unsäglichen Mühen einen Schornstein auf den Kamin, damit der Rauch abzog.

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    Hier lebten sie ruhig und sicher, wenn auch nicht übermäßig bequem, bis zum Anfang September, wo sie die traurige Nachricht hören mußten, ob nun wahr oder nicht, daß die Pest, die in Waltham Abbey auf der einen und in Romford und Brentwood auf der anderen Seite schon sehr grassierte, auch nach Epping gekommen sei und nach Woodford und zu den meisten der Städtchen im Walde, und sie sei, so hieß es, hauptsächlich durch die Hausierer und die Leute, die mit Lebensmitteln zwischen London und dem Lande hin- und hergingen, eingeschleppt worden.
    Wenn das zutraf, war es in offenem Widerspruch zu dem Gerede, das sich später überall in ganz England verbreitete, das ich jedoch, wie ich schon sagte, aus meiner Kenntnis nicht bestätigen kann, nämlich, daß die Marktleute, die Lebensmittel nach London brachten, niemals die Krankheit bekommen oder auf das Land weitergetragen hätten; beides ist, so hat man mir versichert, unwahr.
    Es kann sein, daß sie jedoch über Erwarten hinaus bewahrt blieben, ohne daß man von einem Wunder zu sprechen braucht; aber daß so viele gingen und kamen und nicht erfaßt wurden, das bedeutete für die armen Leute von London eine große Ermutigung, und sie wären vollends am Ende gewesen, wenn nicht die Händler, die die Lebensmittel auf die Märkte brachten, sich immer wieder so erstaunlich die Gesundheit bewahrt hätten oder sie zum mindesten mehr bewahrten als vernünftigerweise zu erwarten war.
    Für unsere neuen Hausbewohner war nun der Kummer wieder größer, denn die Ortschaften ringsum waren tatsächlich befallen, und schon bekam jeder Angst, den andern auch nur das Notwendigste einkaufen zu lassen, und das machte es für sie sehr knapp, denn sie hatten nun wenig oder nichts, außer was ihnen die hilfsbereiten Herrschaften der Gegend zukommen ließen. Aber sie faßten wieder Mut, als andere Herrschaften, die ihnen bisher nichts geschickt hatten, von ihnen irgend-186

    wie zu hören bekamen und ihnen nun auch zu essen schickten, der eine ein großes Schwein, also ein Mastschwein, der andere zwei Schafe, und wieder einer schickte ihnen ein Kalb. Kurz, Fleisch hatten sie genug, und manchmal hatten sie Käse und Milch und all das. Knapp waren sie hauptsächlich mit Brot, denn wenn die Herrschaften ihnen Korn schickten, hatten sie nicht die Möglichkeit, es zu verbacken oder zu mahlen. Aus dem Grunde aßen sie die ersten beiden Scheffel Weizen, die sie geschenkt erhielten, als geröstete Körner, so wie es die alten Israeliten getan hatten, anstatt ihn zu mahlen und Brot daraus zu backen.
    Schließlich fanden sie einen Weg, ihr Getreide zu einer Windmühle bei Woodford zu bringen und es dort mahlen zu lassen, und dann baute der Zwieback-Bäcker einen Herd, so tief und trocken, daß er Zwieback-Kuchen einigermaßen gut darin backen konnte; und so kamen sie in die Lage, ohne Unterstützung oder Lieferungen von den Städten leben zu können; und das war gut so, denn die ganze Gegend war wenig später vollkommen verseucht, und gegen 120 Menschen sollen in den naheliegenden Ortschaften gestorben sein, eine

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