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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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beschlossen, quer durch den Wald nach Romford und Brentwood zu gehen; aber sie hörten, dort seien Leute in Menge, die von London in dieser Richtung geflohen seien und nun den sogenannten Hainault Forst unsicher machten, der sich bis in die Nähe von Romford 189

    erstreckte; und diese Leute, ohne Unterhalt oder Bleibe, führten nicht nur ein kümmerliches Leben und litten in Wald und Feld, wo ihnen niemand half, bitterste Not, sondern seien, so hieß es, von dieser Not so zum Äußersten getrieben, daß sie viele Gewalttaten in der Grafschaft verübten, raubten und plünderten und Vieh töteten und dergleichen; und andere hätten sich Hütten und Schlupfwinkel neben der Straße gebaut und bettelten mit einer Aufdringlichkeit, die an freches Fordern grenze; und darum sei die Grafschaft sehr in Unruhe, und man habe einige von ihnen festnehmen müssen.
    Dies gab ihnen, einerseits, zu verstehen, daß sie anstelle der Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, die sie dort gefunden hatten, wo sie bislang gewesen waren, nur harte Herzen und verschlossene Türen finden würden; und daß sie, andererseits, überall wo sie hinkämen, verhört werden würden, und daß ihnen von Seiten anderer, die in der gleichen Lage wie sie waren, Gewalttätigkeit drohe.
    Nachdem sie das alles erwogen hatten, kehrte John, ihr Hauptmann, im Namen aller zu ihrem guten Freund und Wohltäter zurück, der ihnen immer geholfen hatte, und ihm ihren Fall wahrheitsgemäß darlegend, bat er ehrerbietig um seinen Rat; der riet ihnen ebenso freundlich, wieder ihr altes Quartier zu beziehen, oder wo nicht, nur ein wenig weiter von der Straße wegzuziehen, und er wußte ihnen auch einen geeigneten Platz zu sagen; und da sie bei dieser Jahreszeit – es ging auf Michaeli zu – dringend lieber ein festes Haus zum Obdach wollten als nur Laubhütten, suchten sie, bis sie ein altes verfallenes Haus fanden, das früher einmal ein Jagdhaus oder eine Sommervilla gewesen war, sich aber jetzt in einem Zustand befand, in dem man es kaum bewohnen konnte, und der Guts-herr, zu dessen Besitz es gehörte, gab seine Zustimmung, daß sie damit anfangen dürften, was sie konnten.
    Der erfindungsreiche Schreiner und unter seiner Anleitung alle übrigen machten sich an die Arbeit, und in nur wenigen 190

    Tagen hatten sie es soweit instandgesetzt, daß es ihnen allen für den Fall schlechten Wetters Schutz bot; und den alten Kamin und den alten Backofen, die sie darin vorfanden, aber in Trümmern, die stellten sie beide wieder her, so daß sie sie in Gebrauch nehmen konnten, und indem sie an allen Seiten Schuppen und An- und Ausbauten errichteten, hatten sie bald Platz für alle in dem Haus geschaffen.
    Was ihnen vor allem fehlte, waren Bretter, um Fensterläden, Fußböden, Türen und noch allerlei anderes zu machen; aber da sie die Gunst des obigen Herrn besaßen und auf diese Weise die Gegend ihnen wohlgesinnt war, und vor allem weil man wußte, daß sie alle wohlauf und kerngesund waren, half ihnen jeder mit dem aus, was er entbehren konnte.
    Hier ließen sie sich nun endgültig nieder und beschlossen, nicht mehr fortzuziehen. Sie sahen deutlich, mit welcher schreckhaften Verängstigung man überall in der Grafschaft jedem begegnete, der aus London kam, und daß sie nirgends Zutritt erhalten würden, es sei denn unter den äußersten Schwierigkeiten, jedenfalls keine freundliche Aufnahme und Unterstützung, wie sie sie hier gefunden hatten.
    Allerdings, obwohl sie große Hilfe und Unterstützung von den Herrschaften und den Leuten ringsherum fanden, so mußten sie doch vieles erdulden, denn das Wetter wurde im Oktober und im November kalt und feucht, und sie waren an solches Ungemach nicht gewöhnt; so erkälteten sie sich die Glieder und wurden krank, aber die Pest bekam keiner; und so kehrten sie etwa im Dezember wieder nach Hause in die Stadt zurück.
    Ich bringe diese Geschichte so ausführlich, vor allem um Rechenschaft zu geben, was aus der großen Zahl von Leuten wurde, die, gleich nachdem die Krankheit nachgelassen hatte, wieder in der Stadt erschienen; denn, wie ich berichtet habe, sehr viele von denen, die vermögend waren und auf dem Lande ein Ausweichquartier besaßen, waren dort hingeflohen. Ebenso 191

    waren, als das Wüten der Pest sich so schrecklich steigerte, wie ich es schilderte, die Bürger des Mittelstands, die keine Freunde hatten, überallhin auf das Land geflohen und blieben, wo sie nur unterkommen konnten, ob sie nun Geld hatten, um sich zu

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