Die Pest zu London
schon Hand an ihn legen und ihn in seiner Wut die Treppe hinunterwerfen, aber dann überlegte er doch ein wenig, in welchem Zustand sich der Mann befand und wie gefährlich es wäre, ihn anzufassen, und ein Schauder packte ihn, und er stand still wie vom Schlag gerührt. Der arme Mensch, im 205
Kopfe ebenso krank wie am Körper, stand die ganze Zeit ebenso still, als habe es ihm die Sprache verschlagen. Schließ-
lich wandte er sich um und sagte: »Ach!« mit aller scheinbaren Ruhe, die man sich vorstellen kann, »steht es so mit euch allen? Störe ich euch alle etwa? Nun, ich kann auch nach Hause gehen und dort sterben.« Und so ging er sofort hinunter.
Der Diener, der ihn eingelassen hatte, ging ihm mit einer Kerze nach, fürchtete sich jedoch, an ihm vorbeizugehen und ihm die Tür zu öffnen, und blieb darum auf der Treppe stehen, um zu sehen, was er tun würde. Der Mann ging und öffnete die Tür und ging hinaus und warf die Tür hinter sich zu. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die Familie sich von dem Schrecken erholte, aber da sich keine üblen Folgen einstellten, haben sie Gelegenheit gehabt, davon später, und das kann man glauben, mit großer Genugtuung zu sprechen.
Obschon der Mann gegangen gewesen sei, habe es einige Zeit gedauert, ja, so wurde es erzählt, einige Tage, bevor sie sich von der Aufregung, in der sie gewesen seien, erholt hätten; und sie hätten sich im Hause nicht wieder wohlgefühlt, bevor sie nicht alle möglichen Sorten von Räucherwerk in jedem Raum abgebrannt hätten und möglichst viel Rauch von Pech, von Schießpulver und von Schwefel entfacht hätten, alle sich einzeln umgekleidet und die Kleider gewaschen hätten und so fort. Was den armen Menschen angeht, so kann ich mich nicht erinnern, ob er leben blieb oder starb.
Es ist völlig sicher, daß, wären die Kranken nicht durch die Absperrungen in den Häusern festgehalten worden, Scharen von ihnen, die bei hohem Fieber im Delirium und wahnsinnig waren, ständig die Straßen auf und ab gelaufen wären; und auch so tat das eine ganze Anzahl von ihnen und bedrohte jeden, den sie trafen, mit aller Art von Gewalttätigkeit, genau so wie ein tollwütiger Hund drauflosrennt und jeden, den er trifft, beißt; auch kann ich nicht daran zweifeln, daß, hätte eines dieser von der Krankheit vergifteten Geschöpfe, während 206
es von der Raserei der Seuche erfaßt war, irgendeinen Mann oder irgendeine Frau gebissen, diese, ich meine die so verwun-dete Person wäre ebenso sicher unheilbar infiziert gewesen, wie jemand, der schon vorher krank war und die Anzeichen am Leibe trug.
Ich hörte von einem befallenen Menschen, der außerhalb des Bettes im Hemd, so schmerzten und peinigten ihn die Geschwülste, von denen er drei am Körper hatte, herumlief und die Schuhe anzog und den Rock anlegen wollte, woran ihn aber die Krankenschwester hinderte, indem sie ihm den Rock entriß; da warf er sie zu Boden, überrannte sie, lief die Treppe hinab und im Hemd auf die Straße und geradewegs auf die Themse zu; die Krankenschwester lief hinter ihm her und rief der Wache zu, ihn aufzuhalten; aber der Wachmann fürchtete sich und hatte Angst, ihn anzufassen, und ließ ihn laufen; er rannte darauf die Stillyard Treppe hinab, riß sich das Hemd vom Leibe, sprang in die Themse, und, guter Schwimmer der er war, schwamm er bis ganz hinüber; und da die Flut gerade hereinkam, wie man es nennt, das heißt, der Strom nach Westen floß, erreichte er das andere Ufer erst bei den Falcon Treppen; er stieg an Land, und da er dort zu der nächtlichen Stunde niemand sah, rannte er, nackt wie er war, eine gute Weile durch die Straßen, bis er dann, das Wasser stand mittlerweile hoch, wieder in den Fluß stieg und zum Stillyard zurückschwamm, an Land ging, die Straße wieder hinauf bis zu seinem Hause lief, an die Tür klopfte, die Treppe hinauf und in sein Bett ging; und diese Schreckenskur soll ihn von der Pest geheilt haben, das heißt, die heftige Bewegung seiner Arme und Beine habe die Stellen, wo er die Geschwülste hatte, gedehnt, nämlich unter den Armen und an den Lenden, und habe sie zur Reife gebracht, so daß sie aufbrachen, und das kalte Wasser habe das Fieber in seinem Blut niedergeschlagen.
Ich habe nur noch hinzuzufügen, daß ich dies genau so wenig wie manches andere als Tatsache aus meiner eigenen Erfah-207
rung berichte, für deren Wahrheit ich einstehen könnte, und besonders den Umstand nicht, daß der Mann durch sein son-derbares
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