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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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häufiger Mitgefühl. Es gab für sie keine andere Möglichkeit, mit einem ihrer Freunde zu sprechen, als vom Fenster aus, und dort erhoben sie dann ein so eindringliches Wehklagen, daß sie denen, mit denen sie sprachen, oft das Herz bewegten, und auch anderen, die im Vorbeigehen von ihrem Leid hörten; und da diese Klagen sich oft gegen die Starrköpfigkeit, und oft Unverschämtheit der Wachmänner richteten, die vor ihrer Tür postiert waren, so fiel die Antwort dieser Wachmänner anzüglich genug aus, und die Leute, die von der Straße zu den besagten Familien sprachen, konnten auf Beleidigungen gefaßt sein; dafür und für ihre Schikanen gegen die Familien sind sieben oder acht von ihnen, glaube ich, an verschiedenen Orten umgebracht worden; ich weiß nicht, ob ich sagen soll: ermordet worden oder nicht, denn ich kann auf die einzelnen Fälle nicht eingehen. Zwar waren diese Wachmänner im Dienst und versahen den Posten, auf den sie von einer gesetzlichen Autorität gestellt worden waren; und einen öffentlichen Ordnungsbe-amten bei der Ausübung seines Dienstes zu töten, wird, in der Sprache des Rechtes, immer Mord genannt. Aber sie waren ja durch die obrigkeitliche Bestallung oder durch den Auftrag, unter dem sie handelten, nicht berechtigt, zu den Leuten, die unter ihrer Bewachung standen, oder zu irgend jemand, der sich um sie kümmerte, beleidigend und ausfällig zu sein; so konnte man, wenn sie das taten, sagen, das waren sie selbst und nicht ihr Amt, sie handelten als private Personen, nicht als öffentliche Bedienstete; und, folgerichtig, wenn sie sich durch so ungehöriges Benehmen etwas zuschulden kommen ließen, 199

    so fiel diese Schuld auf ihr eigenes Haupt; und sie hatten in der Tat so sehr die empörten Flüche des Volkes auf sich geladen, ob verdient oder nicht, daß, was immer ihnen zustieß, sie niemand bemitleidete und jedermann geneigt war zu sagen, es geschehe ihnen recht, was es auch war. Auch kann ich mich nicht entsinnen, daß je einer für das, was den Wachmännern bei den Häusern angetan wurde, bestraft worden wäre, jedenfalls nicht so, daß es der Rede wert war.
    Welch eine Vielfalt von Listen man anwandte, um aus den gesperrten Häusern zu entweichen und hinauszugelangen, auf welche Weise man die Wachmänner täuschte oder überwältigte und dann davonkam, habe ich bereits aufgezeichnet und werde nichts mehr darüber sagen. Aber das muß ich sagen, die Be-hörden haben wirklich in vielen Fällen etwas für die Familien getan und sich ihrer angenommen, und besonders dadurch, daß sie aus solchen Häusern die Kranken, wenn sie einverstanden waren, entweder in das Pesthaus oder sonst an einen Ort wegschaffen ließen oder dafür die Erlaubnis gaben; manchmal willigten sie auch ein, daß die nichtkranken Personen einer Familie, wenn die Auskunft über sie lautete, sie seien gesund, wegzogen; sie mußten dann nur in dem Haus, zu dem sie sich begaben, so lange in Quarantäne bleiben, wie man es von ihnen verlangte.
    Auch die Mühe, die man sich bei den Behörden gab, arme Familien, die befallen waren, zu versorgen – mit dem Notwendigen zu versorgen, sage ich, mit Arznei sowohl wie Nahrung –
    , war groß, und man begnügte sich dabei nicht damit, den dafür bestellten Beamten die erforderlichen Anordnungen zu geben, sondern die Stadträte kamen in Person und zu Pferde häufig zu solchen Häusern geritten und ließen die Leute an den Fenstern fragen, ob man ihnen gebührlich zu Diensten sei oder nicht; und auch, ob sie etwas Dringendes brauchten und ob die Dienstleute immer ihre Botschaften überbracht und eingeholt hätten, was sie wünschten, oder nicht. Und wenn sie mit ja 200

    antworteten, war alles in Ordnung; aber wenn sie sich beklagten, sie würden schlecht versorgt und die Dienstleute täten nicht ihre Pflicht oder behandelten sie unhöflich, dann wurden sie (die Dienstleute) meistens entfernt und andere an ihre Stelle gesetzt.
    Zwar mochten solche Beschwerden ungerechtfertigt sein, und wenn der Dienstmann Beweise zur Hand hatte, um den Obrigkeitsvertreter zu überzeugen, daß er im Recht war und die Leute ihm Unrecht getan hatten, dann blieb er im Amt, und sie wurden zurückgewiesen. Aber eine genaue Untersuchung war hier nicht gut möglich, denn die Parteien konnten auf der Straße und vom Fenster aus nur sehr schlecht Rede und Antwort stehen, so wie die Dinge nun einmal lagen. Die Obrigkeitsvertreter entschieden sich deshalb dafür, im allgemeinen eher den Leuten recht zu

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