Die Pest Zu London
aufrecht und ohne Unterbrechung kamen sie bis zu dem Marktplatz herauf, der heute noch unter dem Namen Bear Key bekannt ist, und dort lieferten sie ausreichende Mengen von Getreide an, als die Zufuhr auf dem Landweg zum Erliegen kam und die Bauersleute von vielen Dörfern her nicht mehr recht kommen mochten.
Dies war wieder zum großen Teil der klugen Amtsführung des Lordbürgermeisters zuzuschreiben, der es sich angelegen sein ließ, die Kapitäne und die Besatzungen der Schiffe vor Gefahr zu schützen, wenn sie heraufkamen, indem er veranlaßte, daß ihnen das Getreide auch außerhalb der Marktzeiten abgenommen wurde, wenn sie es wünschten (was sie indes sehr selten taten), und daß die Faktoreien die Getreideladungen ohne Verzug löschten und übernahmen, so daß die Besatzungen kaum Anlaß hatten, ihre Schiffe zu verlassen; das Geld wurde ihnen stets an Bord gebracht und in einen Eimer mit Essig getan, bevor es kassiert wurde.
Der andere Handelszweig befaßte sich mit Kohlelieferungen von Newcastle am Tyne, und ohne diese wäre die Stadt in arge Verlegenheit gekommen; denn nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Privathäusern wurden große Mengen Kohle gebrannt, auch während der ganzen Sommerzeit und als das Wetter am heißesten war, und das geschah auf Anraten der Ärzte. Einige zwar sprachen sich dagegen aus und ließen sich nicht davon abbringen, daß, die Häuser und Zimmer geheizt zu halten, nur ein Mittel sei, der Krankheit Vorschub zu leisten, denn diese sei ja gerade eine Hitze erzeugende Gärung im Blut; sie verbreite sich bekanntlich bei warmem Wetter und nehme zu, bei kaltem aber gehe sie zurück; und darum, so behaupteten sie, sei Wärme das Schlimmste bei ansteckenden Krankheiten, denn die Ansteckung gedeihe und gewinne Kraft im heißen Wetter und pflanze sich, sozusagen, in der Hitze fort.
Andere gaben zu, daß Hitze des Klimas der Infektion förderlich sein könne, da schwüles, heißes Wetter die Luft mit Ungeziefer erfülle und unzählbare Scharen giftiger Lebewesen gedeihen lasse, die in unserer Nahrung, in den Pflanzen und sogar in unseren Körpern entstehen; und schon ihr Geruch könne die Infektion verbreiten; weiter, daß eine Erwärmung der Luft oder eine Hitzezeit, wie wir es gewöhnlich beim Wetter nennen, schlaff und schwach mache, die Lebensgeister ermüde, die Poren öffne und uns für Ansteckungen oder üble Einflüsse empfänglicher mache, sie mögen von schädlichen Pestdünsten ausgehen oder von sonst etwas, das in der Luft ist; was aber die Hitze eines Feuers angehe, besonders die Hitze eines Kohlenfeuers, das wir im Hause oder um uns zu wärmen unterhalten, so glaubten sie, deren Wirkweise sei gänzlich verschieden; diese Hitze sei nicht von der gleichen Art, sondern jäher und ungestümer Natur, nicht dazu angetan, gedeihen zu lassen, sondern alle jene schädlichen Dünste zu verzehren und zu zerstreuen, die die andere Art von Hitze eher ausströme und verweilen lasse, als sie aufzulösen oder aufzubrauchen.
Außerdem hieß es, die Schwefel- und salpeterhaltigen Bestandteile, die oft zusammen mit der Pechsubstanz, welche brennt, in der Kohle gefunden werden, trügen alle dazu bei, die Luft zu klären und zu reinigen und sie für das Atmen gesund und sicher zu machen, nachdem die schädlichen Partikeln, wie oben, vertrieben und aufgebraucht seien.
Die letztere Meinung war zu der Zeit vorherrschend und, wie ich gestehen muß, wohl mit gutem Grunde, denn die Erfahrung der Stadtbewohner bestätigte sie; viele Häuser, in deren Zimmern ständig ein Feuer brennend erhalten wurde, wurden auch niemals befallen; und ich muß aus meiner eigenen Erfahrung hinzufügen, daß ich gefunden habe, das Unterhalten eines kräftigen Feuers machte unsere Zimmer angenehm und gesund und wirkte ebenso auf uns selbst, und ohne das, das ist meine feste Überzeugung, wäre es nicht so gewesen.
Aber ich komme auf den Kohlenhandel zurück. Es bereitete nicht geringe Schwierigkeiten, ihn aufrechtzuerhalten, und zwar besonders deswegen, weil die Holländer, mit denen wir uns ja zu der Zeit im offenen Kriege befanden, zu Anfang eine ganze Reihe unserer Kohlenschiffe gekapert hatten, so daß die übrigen vorsichtig wurden und nur noch in ganzen Flottenverbänden fuhren. Aber nach einiger Zeit bekamen entweder die Freibeuter Angst, sie zu kapern, oder ihre Herren in den Niederlanden fürchteten sich und verboten es ihnen, um nicht die Pest ins Land zu holen, und daran taten sie bestimmt
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