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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Gewalt, ausbrachen, sei es bevor oder nachdem sie eingeschlossen worden waren, und deren Elend, als sie draußen waren, nicht verringert wurde, sondern sich beklagenswert vermehrte. Auf der anderen Seite besaßen viele, die so davonkamen, Sommervillen oder andere Häuser, in die sie ziehen konnten, und dort schlossen sie sich ein und hielten sich verborgen, bis die Pest vorüber war; und in vielen Häusern hatte man das Nahen der Seuche vorausgesehen und Vorräte von Lebensmitteln angelegt, die für die ganze Familie ausreichten, und dann sperrten sie sich ab, und manche so vollständig, daß von ihnen weder etwas zu sehen noch zu hören war, bis die Seuche ganz aufgehört hatte; dann kamen sie wieder hervor, gesund und wohlbehalten.
    Ich könnte mehrere solcher Fälle anführen und bis in die Einzelheiten berichten, wie sie haushielten; war es doch zweifellos das Sicherste und Wirksamste, was man unternehmen konnte, wenn einem die Umstände nicht erlaubten, fortzuziehen oder wenn man keinen auswärtigen Zufluchtsort besaß, der zu solchem Zweck geeignet war; denn wenn man sich so von allem absperrte, war man, als wäre man hundert Meilen fort. Und ich kann mich nicht entsinnen, daß einer dieser Familien etwas zugestoßen wäre.
    Unter ihnen waren einige holländische Kaufleute besonders bemerkenswert, die ihre Häuser wie kleine belagerte Festungen hielten, indem sie niemanden ein- oder ausgehen oder auch nur nahekommen ließen, einer insbesondere an der Throgmorton Straße, dessen Haus auf Draper’s Garden hinauslag.
    Aber ich komme auf den Fall zurück, wo Familien befallen waren und von Amts wegen eingeschlossen wurden. Das Elend dieser Familien ist nicht zu schildern; und aus solchen Häusern hörten wir immer wieder die schaurigsten Aufschreie; vor Entsetzen brüllten diese armen Menschen, zu Tode erschrocken über den Anblick des Zustands ihrer teuersten Lieben und durch die Gefangenschaft, in der sie sich befanden, außer Fassung gebracht.
    Ich erinnere mich – und während ich dies schreibe, dünkt es mich, ich höre alles wieder lebendig – an eine gewisse Dame, die ein recht beträchtliches Vermögen besaß, und an ihre einzige Tochter, ein junges Mädchen von etwa neunzehn Jahren. Sie waren Alleinbewohner des Hauses, in dem sie lebten. Das junge Mädchen, ihre Mutter und eine Magd waren aus irgendeinem Anlaß, ich weiß nicht mehr, aus welchem, außerhalb gewesen, ihr Haus war also nicht verschlossen; aber etwa zwei Stunden, nachdem sie heimgekommen waren, klagte die junge Dame, ihr sei nicht wohl; in einer weiteren Viertelstunde mußte sie sich erbrechen und hatte einen heftigen Kopfschmerz. »Geb’s Gott«, sagte die Mutter, furchtbar erschrocken, »das Kind wird doch nicht die Seuche haben!« Der Kopfschmerz steigerte sich, die Mutter ließ das Bett wärmen und beschloß, sie ins Bett zu tun, und bereitete alles für eine Schwitzkur vor, welches gewöhnlich die Maßnahme war, die man ergreifen mußte, wenn die ersten Zeichen einer Ansteckung sich einstellten.
    Während das Bett auslüftete, entkleidete die Mutter das junge Mädchen, und eben als man es ins Bett legte, entdeckte sie, mit einer Kerze den Körper der Tochter ableuchtend, plötzlich auf der Innenseite der Schenkel die tödlichen Zeichen. Die Mutter, nicht fähig, an sich zu halten, warf die Kerze zu Boden und stieß einen so markerschütternden Schrei aus, daß es genügt hätte, das stumpfeste Herz der Welt mit Grauen zu erfüllen; und es blieb nicht bei einem Aufschreien, sondern da der Schrecken sich ihrer Geister bemächtigt hatte, fiel sie erst in Ohnmacht, faßte sich darauf wieder, rannte durch das ganze Haus, die Treppen hinauf und die Treppen hinunter, wie eine Wahnsinnige, und wahnsinnig war sie in der Tat auch wirklich und hörte einige Stunden nicht zu schreien und zu heulen auf, so vollständig war sie von Sinnen oder zumindest außer Gebrauch ihrer Vernunft; und wie man mir sagte, ist sie nie wieder ganz zur Besinnung gekommen. Was das junge Mädchen angeht, so war es von dem Augenblick an so gut wie eine Leiche, denn der Brand, welcher die Flecken hervorruft, hatte sich über den ganzen Körper ausgebreitet, und sie starb in weniger denn zwei Stunden. Aber die Mutter hörte immer noch nicht zu heulen auf, obwohl sie von ihrem Kind nichts mehr wußte, bis mehrere Stunden nach dessen Tod. Es ist schon so lange her, daß ich nicht mehr ganz sicher bin, aber ich glaube, die Mutter erholte sich nicht wieder, sondern starb

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