Die Pest Zu London
mich, daß die einen viel an den anderen auszusetzen hatten. Die einen waren für Feuer, aber sie müßten Holz brennen und nicht Kohle oder sogar besondere Sorten von Holz, so wie ganz besonders Föhrenholz oder Zedernholz, wegen der starken Ausdünstungen von Terpentin; andere waren für Kohle und nicht für Holz, wegen des Schwefels und Erdpechs; und wieder andere waren für keines von beiden. Zuletzt verfügte der Lordbürgermeister, es sollten keine Feuer mehr sein und hauptsächlich aus diesem Grund, daß nämlich die Pest so unbändig sei, daß sie, wie man deutlich sehe, allen Maßnahmen trotze und nach Anwendung aller Mittel, um ihr Einhalt zu gebieten, eher anzuwachsen als abzunehmen scheine; aber freilich stammte diese Resignation der Obrigkeiten eher aus der Unmöglichkeit, irgendein Mittel erfolgreich anwenden zu können, als aus dem Widerwillen, sich in Gefahr zu begeben oder die Last und Sorge des Amtes zu tragen; denn, um ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sie setzten Leib und Leben ein. Aber nichts half; die Seuche wütete, und die Leute waren jetzt verschreckt und verängstigt bis zum Äußersten, so sehr, daß sie, wie ich sagen möchte, sich selbst aufgaben und, wie ich vorher schon erwähnte, sich ihrer Verzweiflung überließen.
Aber man möge mir die Bemerkung gestatten, daß, wenn ich sage, die Leute überließen sich ihrer Verzweiflung, ich damit nicht das meine, was man religiöse Verzweiflung nennt, oder ein Verzweifeln an ihrem Schicksal in der Ewigkeit, sondern ich meine ihre Hoffnungslosigkeit, daß sie der Seuche entkommen oder die Pest überleben könnten, die, wie sie sahen, mit solch unwiderstehlicher Gewalt wütete, daß wirklich nur ganz wenige, die von ihr während der Höhepunktszeit im August und September erfaßt wurden, davonkamen; und was sehr eigenartig war und im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Verlauf, den sie im Juni, Juli und Anfang August nahm, wo, wie ich berichtete, viele befallen wurden und noch viele Tage weiterlebten, bis sie dann abgingen, nachdem sie das Gift eine lange Zeit in ihrem Blut gehabt hatten: Im Gegensatz dazu starben jetzt die meisten, die während der letzten beiden Wochen im August und der drei ersten Wochen im September ergriffen wurden, gewöhnlich in höchstens zwei oder drei Tagen, und viele noch am gleichen Tag, an dem sie befallen wurden; ob das an den Hundstagen lag oder ob, wie unsere Astrologen sich auszudrücken beliebten, der Einfluß des Hundssterns diese bösartige Wirkung ausübte, oder ob alle diejenigen, die den Keim der Ansteckung schon vorher in sich trugen, ihn gerade zu der Zeit alle miteinander zur Reife brachten, weiß ich nicht; aber dies war die Zeit, wo berichtet wurde, daß mehr als dreitausend Menschen in einer Nacht starben; und solche, die uns glauben machen wollen, sie hätten es ganz besonders genau beobachtet, behaupten, daß sie alle in dem Zeitraum von zwei Stunden starben, nämlich zwischen ein Uhr und drei Uhr morgens.
Was die Plötzlichkeit angeht, mit der die Menschen jetzt mehr als früher starben, so gab es dafür unzählige Beispiele, und ich könnte mehrere aus meiner Nachbarschaft anführen. Eine Familie, außerhalb der Bars und nicht weit von mir, war am Montag scheinbar noch wohlauf, alle zehn, die sie in dem Hause waren. An dem Abend wurde eine Magd und ein Lehrling krank, und kaum waren sie am nächsten Morgen gestorben, als der andere Lehrling und zwei der Kinder erfaßt wurden, von denen eines am gleichen Abend starb, die beiden anderen am Mittwoch. In einem Wort, bis zum Samstagmittag waren der Hausherr, die Hausherrin, vier Kinder und vier Dienstboten alle dahin, und das Haus stand völlig leer, außer daß eine alte Frau kam, um sich der Habseligkeiten für den Bruder des Hausherrn anzunehmen, der weit fort lebte und nicht erkrankt war.
Viele Häuser blieben da verwaist zurück, und alle Bewohner wurden tot davongetragen; so waren insbesondere in einem Hintergäßchen, das auf derselben Seite noch weiter hinter den Bars bei dem Zeichen von Moses und Aaron abzweigte, mehrere Häuser, die alle zusammen, so hieß es, nicht mehr einen einzigen Lebenden beherbergten; und manche, die in einigen dieser Häuser als die letzten gestorben waren, hatten schon ein bißchen zu lange gelegen, bevor sie herausgeholt wurden, um beerdigt zu werden; der Grund dafür war nicht, wie einige ganz unzutreffend geschrieben haben, daß die Lebenden nicht ausreichten, um die Toten zu begraben, sondern daß die
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