Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
dann entschloss er sich, die Mittelmeerroute zurück zu nehmen, und fiel auf der Höhe von Kastilien Piraten in die Hände. Mein Bruder konnte sich freikaufen - mit Hilfe der jüdischen Gemeinde von Murcia, die ihm das Geld vorstreckte. Aber die Ladung ist verloren.« Moses sah zu Boden.
    Zacharias zeigte sich nicht überrascht. Anscheinend hatte die Nachricht unter den Männern schon gestern die Runde gemacht. Lucia fühlte Wut in sich aufsteigen. Auf Abraham, der ihr Geld verspielt hatte - und auf Zacharias, der nicht nur seine Bedenken gegen die Reise vor ihr verheimlicht hatte, sondern sie jetzt auch noch seit gestern im Ungewissen ließ.
    »Das heißt, mein Geld ... ist weg?«, vergewisserte sie sich.
    Moses nickte verlegen.
    »Es tut mir leid, Frau Lea. Aber es war eine riskante Transaktion, man musste mit so etwas rechnen. Ich selbst bevorzuge ja sichere Routen ...«
    Moses von Kahlbach hatte anscheinend nicht in die gefährliche Reise seines Bruders investiert. Lucia hätte ihn schütteln mögen. Wo waren all diese Fachleute gewesen, als ihr Kapital noch zu retten war?
    »Nun bin ich sicher, Frau Lea, dass mein Bruder alles tun wird, um Euch auf andere Weise für den Verlust zu entschädigen ... «, druckste Moses.
    Lucia fuhr auf. »Wie darf ich das verstehen? Wird er mir das Geld zurückerstatten? Es war mein einziger Besitz!«
    »Ihr besitzt noch Euer Herz, das Ihr verschenken könnt«, meinte Moses gütig. »Und mein Bruder wäre glücklich, wenn Ihr ihm Eure Hand zur Ehe reichen würdet. Er ist immer noch reich, Frau Lea. Für Euch und Euer Kind wäre gesorgt.«
    Lucia lag im Moment nichts weniger am Herzen, als Abraham von Kahlbach glücklich zu machen. Aber sie biss sich auf die Lippen.
    »Ich habe keine Mitgift mehr«, erklärte sie kühl.
    »Mein Bruder wird sicher gern darauf verzichten«, beruhigte Kahlbach sie.
    »Sieh es einfach so, als hätte er deine Mitgift schon erhalten«, meinte Zacharias. »Du hast dein Geld in eine gemeinsame Unternehmung eingebracht, die dann leider gescheitert ist ...«
    »Das verheißt nicht sehr viel Glück für die Ehe!« Lucia konnte sich nicht bezähmen. Die sarkastische Bemerkung kam ihr über die Lippen, bevor sie Zeit hatte, nachzudenken.
    Die Männer lachten unbehaglich.
    »Ich bin froh, dass Ihr es mit Humor nehmt«, bemerkte Kahlbach. »Aber nun fasst Euch erst einmal! Es wird noch Wochen dauern, bis mein Bruder zurückkehrt. Er kommt auf dem Landweg über Bozen und den Brennerpass. Bis dahin wird sich alles beruhigt haben, und wir können über eine Hochzeit nachdenken. Und natürlich wird es Euch an nichts fehlen. Macht Euch keine Sorgen über die Ausgestaltung der Feier. Euer Onkel und ich werden unseren gesamten Stolz daran setzen, sie so festlich und reich zu gestalten, wie es einer Tochter von Speyer gebührt!«
    Lucia antwortete nicht mehr. Sie hätte auch kein Wort mehr herausgebracht, ohne in Tränen auszubrechen. All ihre Vorstellungen und Träume von Flucht und Sicherheit für sich und Leona waren zerstoben. Sie würde als Jüdin leben müssen, unter ständiger Angst vor erneuten Pogromen. Und sie würde Abraham von Kahlbach beiliegen und seine Kinder gebären müssen. Einem Mann, für den sie keine Zuneigung empfand, ja, seit heute beinahe Verachtung. Er hatte sie zu der Investition in seine Reise gedrängt. Wohl wissend, dass sie alles verlieren konnte. Wahrscheinlich hatte er dabei ebenso kühl kalkuliert wie ihr Onkel beim Festsetzen der Preise in der Pfandleihe: Für Abraham Kahlbach war die Reise kein Risiko gewesen: Er gewann Geld, oder er gewann »Lea«!
 
    Die Gemeinde nahm es als selbstverständlich hin, dass »Lea von Speyer« Abraham Kahlbach im Frühjahr zum Mann nehmen würde. Lucia wusste nicht, inwieweit die Frauen über ihren finanziellen Verlust informiert waren. Vermutlich wussten sie nicht allzu viel. Aber sowohl Hannah als auch Moses' Gattin berichteten von Leas Heiratsplänen, und so konnte sich die junge Frau vor lauter »Mazel tovs« kaum retten, als sie das nächste Mal mit ihrer Familie in die Synagoge kam. Dabei spielte es offensichtlich keine Rolle, dass Lucia niemals wirklich Ja gesagt hatte. Indem sie in die Mittellosigkeit zurückfiel, wurde sie zum Mündel der Levins. Und nun würde Zacharias sie verheiraten.
    Lucia nähte verdrossen an ihrer Aussteuer und suchte nach Auswegen. Aber es gab keine; sie konnte hin und her überlegen. Eine Frau mit einem Kind fand in keiner Stadt eine ordentliche Anstellung; die einzige

Weitere Kostenlose Bücher