Die Pestärztin
Thema war natürlich Leas Kleid - und schließlich sorgte Zacharias für eine Überraschung, indem er anbot, ihr das edelsteinbestickte Gewand aus der Pfandleihe für einen Tag zur Verfügung zu stellen.
»Du wirst aussehen wie eine Prinzessin, Leale! Näh dir ein Unterkleid und einen Schleier aus der blauen Seide, und darüber trägst du diese Surkotte. Dein Gatte wird geblendet sein von deiner Schönheit ...«
Es passte irgendwie, dachte Lucia traurig, dieses Kleid zu tragen. Schließlich hatte es schon Elisabeth Unglück gebracht. Sie hatte die Herzogin nicht gefragt, war sich aber sicher, dass es auch deren Hochzeitskleid gewesen war.
»Wird es nicht zu hoffärtig wirken?«, fragte sie spröde. »Sagtest du nicht, es sei zu wertvoll und verschwenderisch für eine Bürgerstochter?«
Zacharias lachte. »Du bist ja nicht irgendeine Bürgerstochter. Und wir sind unter uns, kein christlicher Pfaffe wird über Bescheidenheit reden! Außerdem ist es nur geliehen.«
»Du bist zu gütig, Onkel«, bemerkte Lucia.
Die Levins hatten ihre »Nichte« tatsächlich mit einer kleinen Mitgift ausgestattet. Zumindest nahm sie ein paar Truhen voller Wäsche und Kleidung mit in Abrahams Haus. Viel Geld gehörte nicht dazu. Im Grunde hatte sie nur den Rest der zwanzig Mark, die sie damals zurückbehalten hatte.
Deshalb konnte sie auch Elisabeth nicht helfen, als sie die Herzogin eine Woche vor der Hochzeit wieder in der Pfandleihe traf. Sie versetzte diesmal Ringe - immerhin schien ihre Schmuckschatulle ziemlich unerschöpflich zu sein.
Aber vielleicht bediente sie sich ja auch in der Schatzkammer des Herzogs. »Milte«, überbordende Großzügigkeit in Bezug auf Gastgeschenke und Belohnungen für verdiente Ritter, gehörte zu den Tugenden, in denen ein höfischer Haushalt sich übte. Es würde kaum auffallen, wenn Elisabeth mitunter ein Schmuckstück beiseiteschaffte. Aber wozu brauchte sie es überhaupt? Adrian von Rennes musste längst genesen sein.
Elisabeth schüttelte jedoch den Kopf, als Lucia sie darauf ansprach. »Oh nein, das ist er nicht!«, seufzte sie und schien schon wieder mit den Tränen zu kämpfen.
Die neugierige Lucia hatte die Herzogin diesmal gezielt auf dem Rückweg vom Kloster abgefangen. Es war wieder ein strahlender Frühlingstag, und jeder glaubte ihr die Freude an einem Ausritt. Leona thronte vor ihr in Pias Sattel und brabbelte glücklich vor sich hin.
Elisabeth schien sich ebenfalls zu freuen, sie zu sehen. Die junge Herzogin mochte völlig vereinsamt sein mit ihrem Geheimnis.
»Im Gegenteil, es geht ihm schlechter. Er hatte einen harten Winter. Wenn es kalt ist, schmerzt die Schulter, und die Wunde eitert wieder. Und diese Nonnen berechnen jedes Holzscheit extra, den sie auf das Feuer in seiner Kammer werfen. Es ist ein Trauerspiel, Frau Lea! Er ist ein Schatten seiner selbst. Manchmal befürchte ich, er stürzt sich irgendwann in sein Schwert, aber er kann es ja nicht einmal halten. Die Schwestern sagen, er wird sterben. Gott straft ihn für seine Sünden ...«
Elisabeth rieb sich die Augen. Auch sie war nur noch ein blasses Abbild der wunderschönen Frau, die Lucia damals auf der Ehrentribüne gesehen hatte. Sie wirkte bleich und müde; unter den dunklen Augen lagen bläuliche Schatten.
»Ich besuche ihn, so oft ich kann, aber der Herzog merkt etwas. Er muss einen Verdacht haben. In letzter Zeit beobachtet er mich strenger, und zumindest einmal hat er mir Ritter nachgesandt, als ich zum Kloster ritt. Nun ist das ja nichts Verbotenes ...«
Das stimmte: Elisabeth unterstützte die Nonnen von Seligenthal ganz offiziell.
»Ich würde mir diese Wunde gern einmal ansehen!« Lucia konnte nicht mehr an sich halten. Im Grunde brannte sie darauf, den Ritter zu untersuchen, seit Elisabeth das erste Mal von seiner Krankheit erzählt hatte. »Ich weiß ein wenig über Heilkunst, mein ... mein Gatte war Arzt.«
»Ja?« Elisabeth blickte verwundert. »Ich dachte, er sei Kaufmann gewesen.«
Lucia errötete. Die Herzogin hatte sich also über sie erkundigt! Natürlich - sie wollte wissen, mit wem sie da ihr dunkles Geheimnis teilte.
»Mein künftiger Gatte ist Kaufmann«, versuchte Lucia sich herauszureden. Hoffentlich hakte Elisabeth da nicht nach.
Die Herzogin nickte. »Ja, ich habe davon gehört. Ihr seid Meister Kahlbach anverlobt. Ein ehrlicher Mann. Liebt Ihr ihn ...?«
Die letzte Frage kam leise und zögernd - eine Frage, die man nicht stellte. Eine Frage, die zwei Frauen zu Freundinnen
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