Die Pestärztin
totschlagen ...« Die Herzogin sprach schnell und verzweifelt; es tat ihr offensichtlich gut, sich alles von der Seele zu reden. Lucia verstand allerdings nicht, worum es ging.
»Nun erzählt mir das alles noch einmal in Ruhe, Herrin«, sagte sie schließlich und löste sich gleichzeitig von der Herzogin, um einen Blick über die Stallgasse zu werfen. Alles war ruhig, aber das war bei diesem Wetter auch kaum anders zu erwarten. Der Stallmeister und die Burschen hatten sich wohl in eine Schenke zurückgezogen.
»Wer erpresst Euch? Und womit? Ihr könnt es mir ruhig sagen. Ich verrate Euch nicht, und ich will auch selbst kein Geld!«
Elisabeth verbarg das Gesicht in den Händen. »Ihr wisst jetzt sowieso schon genug, um mich zu zerstören.«
Nach wie vor konnte die Herzogin ihr Schluchzen nicht unterdrücken, obwohl man Frauen ihres Standes eigentlich dazu erzog, alle Widrigkeiten des Lebens stoisch zu ertragen. Lucia dachte, dass die Herzogin vielleicht schon zu lange stark war. Sie hatte solche Ausbrüche bei Frauen im Pesthaus erlebt, die ein Kind nach dem anderen verloren hatten. Sie blieben wochenlang gefasst, doch irgendwann brach die Trauer sich Bahn.
»Und natürlich erpressen sie mich nicht. Wie könnten sie auch, es sind ja Klosterschwestern. Aber sie haben eben Schwierigkeiten mit ... mit der Sünde ...« Elisabeth weinte und weinte. Lucia zog sie an sich und wiegte sie sanft. Dabei dachte sie nach. Die Geschichte der Herzogin und ihres Ritters kristallisierte sich langsam heraus.
»Die Schwestern von Seligenthal wissen, wo Ihr Adrian von Rennes versteckt haltet? Aber wie konnten sie das erfahren?«, fasste Lucia ihre Vermutungen schließlich zusammen.
Die Herzogin schüttelte heftig den Kopf. »Nein! Nein, natürlich nicht. So, wie Ihr es darstellt, hört es sich ja an, als hielte ich mir irgendwo einen willfährigen Buhlen! Ist es das, was Euer Onkel von mir glaubt? Er behandelt mich wie eine Hure ... und ... und die Schwestern tun es auch. Dabei ... dabei müssen sie doch sehen, dass er kaum genug Kraft hätte, mich im Arm zu halten!«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll, wenn Ihr es mir nicht erzählt!«, meinte Lucia geduldig. »Also sprecht, Herrin, und macht schnell. Jeden Moment kann jemand herkommen, und dann ist die Gelegenheit vertan. Herrgott, Ihr stellt Euch doch sowieso schon ungeschickt genug an! Ein wahres Wunder, dass nicht ganz Landshut weiß, was Ihr treibt!«
»Der Stallvermieter erzählt nichts, den zahle ich auch«, bemerkte die Herzogin.
Lucia verdrehte die Augen. Der halbe Landkreis schien auf der Gehaltsliste dieser Frau zu stehen!
»Adrian von Rennes ist mein Minneherr, nichts weiter. Ich habe ihm niemals beigelegen, obwohl ich es mir mehr wünschte als alles andere auf der Welt. Aber ich habe nichts getan, als mich an seinen Liedern zu erfreuen ... und seinen schönen Worten ... und seiner Freundlichkeit.« Elisabeth schniefte noch, doch allmählich verebbte ihr Schluchzen. »Dann aber schlug mein Gatte ihn im Turnier halb tot, und ich musste ihn pflegen. Und das ist ja auch kein Verbrechen, jede Edelfrau tut es! Es gehört zu unseren Pflichten. Und mein Gatte hinderte mich auch nicht daran, obwohl er mich beobachten ließ, als wäre ich seine Gefangene. Und Adrian schickte er weg, als er sich eben auf den Beinen halten konnte. Ich traf ihn in den Ställen. Er schaffte es nicht mal, auf sein Pferd zu steigen. Also habe ich in Seligenthal für ihn Quartier gemacht ...«
»Herr Adrian ist im Kloster?« Lucia wurde jetzt einiges klar. »Immer noch?«
Die Herzogin nickte. »Er wollte schon längst weiterreiten. Aber er kann ja nicht ...«
Lucia rechnete nach. »Er sollte längst genesen sein«, erklärte sie dann. »Seit dem Turnier sind fünf Monate vergangen! Und er empfing doch nur eine Wunde in der Schulter.«
Natürlich konnten sich auch solche Wunden als tückisch erweisen. Lucia wusste aus der Lektüre Ar-Rasis und Ibn Sinas, dass mitunter Muskeln durchtrennt und Sehnen verletzt wurden, die nicht mehr heilten. Die Schulter oder gar der ganze Arm des Verletzten blieben dann steif. Aber das sollte den Ritter nicht hindern, auf ein Pferd zu steigen.
»Er ist siech seitdem«, gab die Herzogin Auskunft. »Die Nonnen pflegen ihn. Fragt mich nicht nach der Ursache, ich weiß es nicht, aber er ist schwach, er hat Fieber und Schmerzen. An guten Tagen kann er ein paar Schritte gehen, aber in schlechten Zeiten liegt er tagelang danieder. Ein Ende vermag ich nicht
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