Die Pestärztin
werden ließ.
Lucia zuckte die Schultern. »Die Liebe kommt mit der Zeit, sagt meine Tante«, entgegnete sie mit schiefem Lächeln.
Elisabeth erwiderte es genau so kläglich. »Das hat man mir auch gesagt. Es ist nicht wahr.« Sie wischte ihre Hände am Reitkleid ab, als wolle sie einen Makel abwaschen. »Aber Euren ersten Mann habt Ihr geliebt.« Das klang wie eine Feststellung.
Nun spürte Lucia natürlich selbst, wie ihre Augen aufleuchteten, wenn sie es wagte, von Clemens zu sprechen. Sie nickte.
»Ich bin sehr glücklich, sein Kind zu haben!«, sagte sie - und hätte sich gleich darauf ohrfeigen mögen.
Das Gesicht der Herzogin nahm einen wachsamen Ausdruck an.
»Ja?«, fragte sie nur.
Sie musste auch von der Vergewaltigungsgeschichte gehört haben.
»Irgendwann müsst Ihr mir mehr über ihn erzählen«, sagte sie schließlich. »Und ich hätte grundsätzlich nichts dagegen, wenn Ihr mich einmal ins Kloster begleitet. Allerdings fürchte ich, die Nonnen erhöhen den Preis gleich wieder, wenn ich mit einer Jüdin aufkreuze.«
Lucia lächelte. »Wenn Ihr mich nicht verratet, brauche ich die Zeichen ja nicht zu tragen.«
Elisabeth gab das Lächeln zurück. »Euer Geheimnis ist bei mir sicher. Viel Glück für Eure Hochzeit!«
Das kann ich brauchen, dachte Lucia.
8
I n den Tagen vor der Hochzeit füllte das Haus der Levins sich mit Gästen. Lucia hatte gar nicht gewusst, wie viele mehr oder weniger entfernte Verwandte der Levins und Speyers es noch gab. Aber jetzt, im Frühjahr, fanden in der Umgebung auch verschiedene Messen und Märkte statt, und jüdische Kaufleute nahmen traditionell Quartier in den jeweiligen Gemeinden. Durchreisende wurden dann selbstverständlich auch zu Hochzeiten oder anderen Festen eingeladen.
Lucia kehrte eben aus der Mikwe zurück, dem rituellen Bad für Frauen bei der Synagoge, als sie den Rabbi mit ein paar dunkelhaarigen Fremden sprechen sah. Auch andere Mitglieder des Judenrates waren anwesend. Lucia erkannte ihren Onkel und Moses Kahlbach.
Sie grüßte allerdings nur kurz und wollte schon mit gesenktem Kopf vorbeigehen. Es ziemte sich nicht für eine junge Braut, sich kurz vor der Hochzeit noch zu vielen Männern zu zeigen.
Zacharias hielt sie jedoch auf.
»Lea, was für ein Glück, dass du gerade kommst. Wir haben hier ... ein paar Verständnisschwierigkeiten. Und sagtest du nicht einmal, du könntest ein bisschen Arabisch?«
Lucia sah auf. Tatsächlich, an den Männern vor der Synagoge fiel nicht nur der dunkle Teint auf, auch ihre andersartige Haartracht und der orientalische Schnitt ihrer Gewänder. Sie trugen das Haar kürzer als die Landshuter Juden und hatten ihre Bärte gestutzt.
»Yakov und Tibbon ben ... äh, ibn Aron stammen aus Al Andalus.«
Lucia verbeugte sich leicht vor dem ältesten der Brüder.
»Salaam Aleikum.«
Der Mann erwiderte die Verbeugung. »Auch dir wünsche ich Frieden«, antwortete er in Al Shifas Sprache. Lucia wurde vor Freude ganz leicht, diese Klänge noch einmal zu hören. »Aber das hätte ich auch noch auf Hebräisch sagen können. Sonst beschränkt sich die Kenntnis der Sprache meines Volkes aber leider auf die Gebete. Mein Vater war ein praktisch denkender Mann und hat meine Brüder und mich eher in Castiliano sowie im italienischen und französischen Idiom unterrichten lassen. Auch in den Sprachen des Ostens vermögen wir uns zu verständigen, aber im deutschen Kaiserreich sind wir zum ersten Mal.«
»Seid willkommen!«, sagte Lucia. »Ich will gern für Euch übersetzen, ich hatte eine arabische Kinderfrau ...«
Mit Bedauern dachte sie an Clemens und den Kanon der Medizin. Hier stand endlich ein Araber vor ihr - oder doch ein Jude arabischer Herkunft. Er hätte ihr die fehlenden Worte in Ibn Sinas Buch erklären können. Aber jetzt war es zu spät.
»Dann quartieren wir die beiden doch am besten bei Euch ein, Reb Zacharias!«, entschied Moses Kahlbach. »Natürlich ziemt es sich nicht so ganz für Lea, Gespräche mit Fremden zu führen, erst recht nicht so kurz vor der Hochzeit. Aber sie ist schließlich keine scheue Jungfrau mehr, die vor jedem fremden Einfluss bewahrt werden muss. Oder habt Ihr Bedenken, Reb Levin?«
Lucia ärgerte sich. Sollte ihr Onkel jetzt ihren Tugendwächter spielen?
Zacharias schüttelte den Kopf.
»Natürlich nicht. Bitte, Lea, sag unseren Gästen aus Al Andalus, dass sie in meinem Haus willkommen sind.«
Lea genoss das Gespräch mit den maurischen Juden. Die Brüder Ibn Aron stammten
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