Die Pestärztin
sorgt, statt sie vertrauensvoll in unsere und Gottes Hände zu legen ...«
Lucia schaute zu Elisabeth hinüber, die bleich war, nichts aß und nur Brot auf ihren Teller bröckelte. Sie hatte ihre Zukunft vertrauensvoll in die Hände ihres Vaters gelegt. Und was war dabei herausgekommen?
Conrad von Oettingen rang sich ein Lächeln ab. »Also gut, behaltet sie ein paar Monate. Aber passt gut auf sie auf!«
Er lachte dröhnend, und die Herzöge von Bayern taten es ihm nach. Elisabeth sah aus, als litte sie Schmerzen.
»Kannst du eigentlich reiten, Lucia?«, fragte die Herzoginmutter schließlich, kurz bevor die Frauen sich endlich verabschieden durften. Die Ritter würden das Bankett noch allein weiterführen und sich zweifellos bis zur Bewusstlosigkeit betrinken. An traditionellen Höfen waren Frauen nur zu besonderen Anlässen in den großen Saal geladen. Lucia hatte inzwischen gelernt, dass es an Minnehöfen anders war. Dort wurde mehr gelacht und getändelt, weniger getrunken.
Lucia nickte. »Ich besaß eine Maultierstute«, erklärte sie.
Margarethe verdrehte die Augen. »Da seht Ihr es, Oettinger. Ein Kind von der Straße. Morgen wirst du ein Pferd reiten, Lucia. Wir besuchen das Kloster Seligenthal, um Almosen zu bringen.«
3
L ucia fiel es sehr viel schwerer, sich am Hofe der Herzogin einzurichten, als damals im bürgerlichen Haushalt der Levins. Das Leben der Adligen und sein Rhythmus auf der Burg waren ihr einfach zu fremd. So hatte sie zum Beispiel in jedem Bürgerhaus, ob christlich oder jüdisch, irgendetwas Sinnvolles zu tun gefunden. Sie hatte bei den Wormsers im Haushalt gearbeitet, bei den Levins im Geschäft ausgeholfen und sich bei den Speyers dem Studium der Bücher gewidmet.
Auf der Landshuter Burg gab es nichts dergleichen. Hier wimmelte es von Dienstboten, die von Hofangestellten, den Ministerialen, überwacht wurden. Natürlich lag die Oberaufsicht über den Haushalt bei der ranghöchsten Frau, aber selbst eine so resolute Person wie Margarethe von Holland mischte sich hier nur selten ein. Lucia gewann auch schnell den Eindruck, dass sie dabei weniger Ordnung schuf als Dinge durcheinanderbrachte. Schließlich war es weniger Umsicht und Sparsamkeit, die Edelfrauen in die Vorrats- und Schatzkammern trieb, als Milte oder Largesse, die vielgerühmte Freigebigkeit der Ritterschaft. So kamen die Damen durchaus einmal auf die Idee, einem Kloster oder einer anderen mildtätigen Stiftung ein kleines Vermögen zum Erwerb einer Reliquie zu schenken oder eine Abtei mit Wintervorräten zu versorgen, die ein umsichtiger Haus- und Kellermeister eigentlich für den eigenen Hof angeschafft hatte. Die Ministerialen schienen denn auch zu zittern, wenn Frau Margarethe Küche und Keller aufsuchte. Aber sehr häufig geschah das nicht, meist betätigte die Dame sich anderweitig - was wiederum Herzog Stephan, Elisabeths Gatten, erzittern oder eher vor Wut schnauben ließ. Der selbstbewussten Herzoginmutter passte es gar nicht, dass die drei Söhne ihres verstorbenen Gatten sich die Herrschaft über seine Ländereien teilten. Sie hätte lieber eines ihrer Kinder als Alleinerben gesehen, oder doch zumindest eine Teilung der Güter zugunsten ihrer Nachkommen bevorzugt. Nun drängte sie ihre Söhne Wilhelm und Albrecht, auf eine solche Neuregelung zu bestehen, und verhinderte dadurch alle vernünftigen, gemeinsamen Entscheidungen. Stephan, ohnehin Choleriker, kam dann rasend vor Wut aus den Besprechungen mit seinen Brüdern und ließ seine schlechte Laune an Elisabeth aus. Die war schließlich auch eine Frau und sicher eine ebensolche Ränkeschmiedin!
Margarethes junge Hofdamen konnten eigentlich bei keiner ihrer Aktivitäten irgendetwas lernen. Die Herzogin beschäftigte sie mit Handarbeiten, während sie auf der Burg unterwegs war, um ihre Söhne anzustacheln oder Elisabeth das Leben zur Hölle zu machen. Wilhelm und Albrecht waren noch nicht verheiratet, und die Suche nach den passenden Frauen machte einen weiteren Schwerpunkt ihrer Beschäftigung aus. In Bezug auf diese Überlegungen musterte sie auch ihre kleinen Zöglinge, doch keine von ihnen war von so hohem Adel, dass sie als Schwiegertochter infrage käme. Bessere Familien schickten ihre Töchter längst nicht mehr an konventionelle Hofhaltungen wie Margarethes, sondern sandten sie an Minnehöfe, wo meist auch das politische Ränkespiel sehr viel geschliffener betrieben wurde als auf der Landshuter Burg.
Lucia und die anderen Mädchen dagegen litten
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