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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Lucia hatte in den ersten Tagen Mühe, sie auch nur auseinanderzuhalten.
    Sie selbst teilte ihr Zimmer mit Gunhild, der Ältesten. Das Mädchen war Schwedin oder Dänin - ihr Heimatort Hälsingborg wechselte immer mal wieder den Besitzer -, lebte aber schon lange am Hof der Herzogin und beherrschte die Sprache fließend. Sie sagte allerdings nicht viel, und nachts hörte Lucia sie in ihr Kissen weinen.
    Gunhild war einem dänischen Fürsten anverlobt und würde bald seine Frau werden. Allerdings schien sie den Mann nicht zu mögen; wie Anna verriet, war er viel älter als Gunhild.
    »Gunhild, das arme Ding, hat noch die alten Zeiten miterlebt, als die Herrin Elisabeth den Hof führte«, erzählte Anna. Die alte Kammerfrau war eine unerschöpfliche Quelle von Geschichten rund um die Landshuter Burg. Sie sprach jedoch niemals boshaft, sondern meist mit eher mildem Bedauern von den hohen Herrschaften, deren Leben und Lieben sie begleitete, seit sie als achtjähriges Hausmädchen auf die Burg gekommen war. Lucia lernte von ihr mehr über ihr neues Leben und seine Regeln als von der Herzoginmutter, die sie nur herumkommandierte und rügte, wenn sie etwas falsch machte. »Damals blühte sie auf. Einer der jungen Ritter hatte wohl ihr Herz gewonnen. Ach, ich weiß, ich sollte es nicht sagen, aber wir alle haben den Minnehof genossen! Die Gemächer der Frauen, die Gärten ... alles war damals von Musik erfüllt. Frau Elisabeth lehrte die Mädchen zu tanzen und mit den Männern zu tändeln. Nichts Unziemliches natürlich, aber die Ritter durften zu Gast sein und sich darin üben, die Frauen zu unterhalten.
    Das müsse man ihnen beibringen, hat Frau Elisabeth immer gesagt. Die Ritter im Reich hier wären zu roh, zu ungeschliffen, nicht geübt im Frauendienst. In ihrer Heimat dagegen, in Sizilien, lernen sie nicht nur, das Schwert zu schwingen, sondern auch die Laute zu spielen. Sie sind nicht weniger tapfer, aber sie schlagen seltener blindlings zu. Sie besprechen mit ihren Damen, ob ihre Handlungen richtig sind oder verfehlt. Die Dame wacht über die ritterlichen Tugenden, weißt du? So ganz habe ich das auch nicht verstanden, aber unter den Rittern ging es damals leiser zu. Es kamen kultiviertere Herren an den Hof. Man musste sich als Frau nicht fürchten, am Abend über den Wehrgang zu gehen.«
    Lucia konnte sich zwar kaum vorstellen, dass die dicke Anna hier sonderlich gefährdet war, verstand aber, was sie meinte.
    Die Juden von Landshut erzählten böse Geschichten über Ritter, die sich Mädchen nahmen, wie es ihnen passte, die Bürgersfrauen entehrten und ihre Männer kurzerhand vor ihren Schöpfer schickten, wenn die sich beschwerten. Ein Adrian von Rennes würde so etwas nicht tun.
    »Und was geschah dann?«, fragte sie weiter.
    Anna seufzte. »Nun, dann kam der Chevalier von Rennes an den Hof und entbrannte lichterloh für die Herrin Elisabeth. Ich glaube nicht, dass sie ihn wirklich ermutigte, aber er war ein schöner Mann, ein Troubadour. Er ging mit ihrem Zeichen in den Kampf.«
    »Und der Herzog tut das nicht?«, erkundigte Lucia sich vorsichtig. Anna half ihr soeben in neue, mit kleinen Aquamarinen besetzte Gewänder. Conrad von Oettingen sollte am Abend anreisen, um seine wiedergefundene Nichte kennen zu lernen. Die Herzoginmutter hatte Lucia dies durch Anna mitteilen lassen, und die Kammerzofe war gleich geblieben, um sie möglichst herrschaftlich herzurichten. Lucia war das fast peinlich, denn gewöhnlich erledigten die Mädchen dies unter sich. Nur Gisela, eine kleine Gräfin aus Thüringen, hatte eine eigene Kammerzofe mitgebracht.
    Anna entwirrte vorsichtig Lucias honigblonde Locken.
    »Du hast herrliches Haar. Aber ich muss ja jetzt Ihr sagen, und Frau oder Fräulein Lucia. Es ziemt sich nicht, dass ich dich wie meinesgleichen behandle!« Anna kämmte die goldene Flut, die Lucia jetzt wie in ihren Kindertagen offen und unbedeckt trug. Bürgermädchen flochten ihr Haar und trugen Hauben. Das Vorrecht der Adligen war die lange, offene Mähne. Während Anna sie mit einem Goldreif schmückte, kam sie wieder zum Thema.
    »Ach, Kindchen, der Herzog hat andere Dinge im Kopf, als mit den Frauen zu tändeln. Überleg nur mal: sechs Brüder, die sich nach dem Tod des alten Herrn Ludwig das Land teilen mussten! Drei Herzöge jetzt für Niederbayern-Landshut und Straubing-Holland! Das gibt viel böses Blut, das kann leicht zum Bruderkrieg führen. Weshalb der Herr Ludwig denn auch glücklich war über das Bündnis

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