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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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unter gähnender Langeweile. Die Herzogin ließ sie bei Morgengrauen aufstehen, um ihr aufzuwarten. Anschließend folgten sie ihr in die Morgenmesse. Danach gab es ein Frühstück und mitunter einen kleinen Ausgang in die Küchen- und Kräutergärten. Edelfrauen sollten ein Mindestmaß an medizinischen Kenntnissen erwerben, da es ihnen oblag, die Ritter bei Verletzungen im Turnier oder gar im Krieg zu pflegen. Lucia konnte sich allerdings nicht vorstellen, dass sich eines dieser Mädchen oder auch Margarethe selbst in einem Krankensaal nützlich machen konnte! Margarethe mochte natürlich fähig sein, eine Pflegestation zu organisieren, doch einem Kranken zu nahe kommen würde sie kaum. Und Gunhild und die anderen Mädchen würden vielleicht einmal wie Engel hereinschweben und eine fiebernde Stirn kühlen, aber der Gestank und das Elend der Kranken war ihnen zweifellos nicht zuzumuten. Margarethe selbst konnte ihnen auch kaum etwas über die Wirkung der Kräuter und Wurzeln erzählen, die in ihrem Garten wuchsen. Sie überließ das einer nervösen kleinen Küchenmagd, deren Mutter wohl Hebamme in ihrem Heimatdorf gewesen war. Auch sie wusste nicht viel und war obendrein zu schüchtern, im Beisein der Herzoginmutter überhaupt die Stimme zu erheben. Schließlich übernahm Lucia und führte die Mädchen zumindest in die einfachsten Dinge ein, wie etwa den Gebrauch von Minze, Salbei und Fenchel. Die Herzoginmutter betrachtete das eher mit Misstrauen und verwies stattdessen auf die Klosterapothekerin in Seligenthal. Lucia freute sich bereits darauf, sie kennen zu lernen.
    Seltener als die Ausflüge in die Gärten waren Ausritte in die Umgebung. Die Mädchen mussten sich im Reiten üben. Schließlich erwartete man von einer Edelfrau, auch längeren und strapaziöseren Reisen zwischen ihren Gütern gewachsen zu sein. Sich dabei auf eine Sänfte zu beschränken war ein Ding der Unmöglichkeit. So führte Frau Margarethe ihre kleine Schar denn ab und zu aus und erlaubte dann auch Zerstreuungen wie die Falkenjagd. Sie selbst und all ihre Zöglinge waren dabei sehr geschickt, während Lucia sich vor den großen Vögeln eher fürchtete und sich auch davor ekelte, sie mit Stücken des gerade gerissenen Wildbrets zu kröpfen.
    Elisabeth dagegen genoss die Jagd und schien darin auch eine Möglichkeit zu sehen, gelegentlich ein vertrautes Wort mit Lucia zu wechseln. Die jüngeren Mädchen machten sich tatsächlich einen Spaß daraus, sich hier Frau Margarethes Aufsicht zu entziehen. Angeblich suchten sie stundenlang nach ihren verlorenen Falken. Lucia wagte das jedoch vorerst nicht. Die Herzoginmutter beobachtete sie mit Argusaugen. Sie schien ständig zu befürchten, Lucia könnte ihr entfliegen wie den Mädchen die Falken.
    Den größten Teil des Tages nahm jedoch die Handarbeit ein, wobei es wieder nicht so sehr darum ging, Kleider und andere praktische Dinge herzustellen, sondern eher um das Besticken von Altartüchern und anderen Ausstattungsgegenständen für Kirche und Klöster. Praktisch jede Edelfrau - vor allem die Älteren - hatte ein Kloster, das sie besonders unterstützte. Sie sorgte für eine reichhaltige Ausstattung der Klosterkirche und die Erhaltung der Klostergebäude; oft stiftete sie Neubauten von Krankenstationen und Gästehäusern. All das sicherte ihr natürlich einen gewissen Einfluss. Bestimmende Charaktere wie Frau Margarethe entschieden mit, wenn es um die Aufnahme von Novizinnen oder die Bestattung von Rittern und Edelfrauen innerhalb der Klostermauern oder gar in der Klosterkirche ging.
 
    »Mich wird sie draußen verscharren lassen«, sagte Elisabeth zu Lucia. Sie saß auf ihrer milchweißen Stute und ritt neben ihrer Freundin, der man einen braunen Zelter zugeteilt hatte. Die beiden folgten Margarethe und deren Mädchen auf dem Weg zum Kloster. Wie die Herzoginmutter angekündigt hatte, stand ein Besuch bei den Nonnen an. Elisabeth hatte Lucia eben erzählt, welche Aufgaben ihre Stief-Schwiegermutter in Seligenthal wahrnahm.
    »Wehrt sich die Äbtissin denn nicht gegen so viel Einflussnahme?«, wunderte sich Lucia. »Die muss doch Macht haben, wenn sie eine so große Abtei leitet.«
    Elisabeth zuckte die Achseln. »Ich sollte auch Macht haben«, gab sie resigniert zurück. »Aber wer wagt es schon, Frau Margarethe zu widersprechen? Zumal die Äbtissin ja nur Vorteile davon hat. Der ist es doch egal, ob Graf Benno oder Graf Armin auf ihrem Kirchhof ruhen. Hauptsache, sie und ihre Nonnen leben

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