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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Einrichtungsgegenstände, mit denen Sarah ihr Haus schmückte, meinte sie, Ähnliches gesehen zu haben. Die Bücher mochten Musterzeichnungen enthalten.
    Al Shifa nickte. »Ja. Das ist arabische Schrift. Und dies ist ein sehr nützliches Buch. Es heißt ›Qanun al-Tibb‹, Kanon der Medizin, und stammt von Ali al-Husain ibn Sina, dem größten Arzt, der je gelebt hat ...«
    Lucia betrachtete das Werk voll Ehrfurcht. »Da steht alles drin?«, fragte sie flüsternd. »Alles, um alle Krankheiten zu heilen?«
    Al Shifa lächelte. »Nicht alle Krankheiten. Das hat dir der Herr doch gestern schon erklärt. Aber Allah hat Ibn Sina in seiner Güte so manches Heilmittel offenbart, und er hat es niedergeschrieben. Es gibt auch noch einfachere Bücher ...« Sie suchte zwischen den Codices auf den höheren Regalen und förderte eine weitere Heftung von Blättern zutage.
    »Hier: >Handbuch für alle, die keinen Arzt in der Nähe haben<. Von dem großen Gelehrten Ar-Rasi. Darin ist ganz einfach geschildert, was man tun kann, wenn jemand Fieber hat wie Lea oder eine kleine Verletzung wie Esra.«
    Lucia hoffte auf bekannte Schriftzeichen, aber leider war auch das Handbuch in arabischer Sprache verfasst. Das Mädchen fasste einen Entschluss.
    »Bringst du mir bei, das zu lesen?«, fragte sie gespannt. »Oder dürfen Mädchen das wieder nicht?«
    Al Shifa lachte. »Ich kann es doch auch lesen, Tochter. Und es wurde mir von einer anderen Frau geschenkt. Wenn es nun auf dich übergehen könnte, würde ich mich geehrt fühlen.«
    Sie verbeugte sich leicht vor ihrer Ziehtochter. Lucia errötete. Und sie wurde sich gleich über die Konsequenzen dieses Erbes klar: Al Shifa konnte ihr die Schriften nicht wirklich vererben oder gar schenken. Sie waren Eigentum der von Speyers. Wenn Al Shifa daran Anteil haben wollte, musste sie den Inhalt auswendig lernen. Aber erst kam das Studium der Schrift.
    »Können wir gleich anfangen?«, fragte Lucia.

4
 
    B enjamin von Speyer gab Al Shifa gern die Erlaubnis, die Kodizes mit Lucia zu studieren.
    »Es kann auch Lea nur gut tun, ein wenig darüber zu lernen, wie man Krankheiten bekämpft. Aber seid vorsichtig! Schon wir Hebräer gelten dem Volk und der Kirche als verdächtig. Es ist mir gar nicht recht, dass Lucia so viel von unserer Sprache aufschnappt. Eines Tages könnte sie im falschen Moment damit herausplatzen und den Christen als Ketzerin erscheinen. Umso schlimmer, wenn man dann auch noch maurische Schriften bei ihr findet. Also beschränkt euch auf dieses Haus, am besten auf das Bücherkabinett und vielleicht noch deine Kammer, Al Shifa. Wir dürfen nicht unvorsichtig werden. Wenn die Jungen Arabisch lernen, so ist das Teil ihrer Ausbildung zum Fernhandelskaufmann. Aber Lucia ist keine von uns!«
    Das wusste Lucia nur zu gut. Je älter sie wurde, desto bösartiger fielen die Sticheleien der Küferkinder und ihrer Nachbarn aus. Das »Hurenkind« geriet dabei fast ein bisschen in Vergessenheit; lieber neckte man sie jetzt mit ihrer Beziehung zu den Juden.
    Der neueste Ausdruck, den Eberhard für sie erfunden hatte, war »Judenliebchen«. Lucia hatte einmal den Fehler gemacht, gemeinsam mit David aus dem Haus der Speyers zu treten und sich dabei angeregt mit ihm zu unterhalten. Das war an sich eine Ausnahme - eigentlich verhielten David und Esra sich zu Lea und Lucia wie Hund und Katze. Die Jungen nahmen ihren kleinen »Schwestern« übel, dass die Mutter sie verwöhnte. Lea und Lucia durften schließlich oft spielen, während ihr eigener Tag mit dem Studium bis zum Bersten ausgefüllt war. Ein jüdischer Junge, der später zur Kaufmannschaft gehören wollte, musste ein enormes Pensum an Wissen bewältigen. Viel Freizeit blieb David und Esra da nicht. An diesem Tag hatten David und Lucia aber kurzzeitig Frieden geschlossen. Die Jungen studierten seit einigen Wochen die arabische Sprache, und David erhoffte sich von Lucia Hilfe bei einer Hausaufgabe. Lea bestand allerdings darauf, dass sie diese Hilfe nicht kostenlos gab. Die Kaufmannstochter war ziemlich geschäftstüchtig und hatte längst Regeln aufgestellt, welche Nachhilfe mit wie viel Zuckerzeug vergütet wurde. David und Lucia waren nun auf dem Weg zum Flachsmarkt, und als Lucia dort größere Mengen Honigkuchen und Zuckerstangen von David in Empfang nahm, war für Eberhard die Sache klar: Lucia hatte was mit diesem »Judenbengel«.
    Die anderen Kinder griffen das »Judenliebchen« genauso bereitwillig auf wie damals das »Hurenkind«,

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