Die Pestärztin
inzwischen war der Gerichtstag fast vorüber. Er hatte die Streitpunkte der Ritter entschieden und sich in den Sachen der Bürger durchweg dem Urteil seines ungemein fähigen Haushofmeisters Heinrich von Hohenthann angeschlossen. Nun folgte nur noch die übliche Bittstellerei der Juden, die schon wieder gegen irgendwelche Einschränkungen ihres Lebens protestierten, statt sich einfach taufen zu lassen. Und dann wartete immerhin ein gutes Essen auf ihn. Der Duft von gebratenen Ochsen und Kapaunen wehte jetzt schon verführerisch aus der Küche herüber. Auch die Bürger wurden anlässlich des Gerichtstages bewirtet. Allerdings in gesonderten Sälen; in seiner Halle wäre er gleich mit seinen Rittern allein.
Aber nun diese seltsame Sache zwischen seiner Frau und seiner Stief-Schwiegermutter. Denn um einen Streit zwischen den beiden Herzoginnen musste es gehen; die Angelegenheit selbst war lächerlich.
»Ihr habt dem Mädchen also Eide geschworen und sie Euch«, vergewisserte er sich bei dem schmächtigen jungen Mann, der hier mit der kleinen Oettingen zusammen vor seinem Hochsitz stand. »Aber Ihr wusstet nicht, wer sie ist, Ihr hieltet sie für eine Hausmagd. Dann habt Ihr unter Eurem Stand geheiratet, Herr von Treist!«
»Es geht mehr darum, dass Lucia von Oettingen unter ihrem Stand geheiratet haben will!«, warf Frau Margarethe ein.
Der Herzog brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
Clemens von Treist verbeugte sich. »Ich war mir der Folgen bewusst.«
Ein Ritter, der ein Mädchen aus dem Volk heiratete, verlor die Privilegien seiner Klasse. Er wurde fortan von Recht und Gesetz wie ein Bürgerlicher behandelt.
»So könnt Ihr Euch jetzt ja glücklich schätzen«, bemerkte der Herzog.
Clemens lächelte. »Herzog, ich schätze mich glücklich, Lucia wiedergefunden zu haben. Ihr Stand und ihr Name sind mir egal.«
»Und Ihr, Frau Lucia?«, wandte der Herzog sich an die junge Frau. »Habt Ihr dieser Ehe zugestimmt und haltet auch unter den veränderten Umständen daran fest? Ich kann mich nicht erinnern, dass Ihr vorher jemals von einem Gatten gesprochen hättet. Ihr führtet den Namen derer von Oettingen.«
Lucia hob den Blick. »Ich hielt meinen Gatten für tot. Und ich freute mich, meine wahre Abstammung zu erfahren. Deshalb hatte ich nichts dagegen, dass man mich hier Lucia von Bruckberg nannte.«
»Der Name ihres Vaters«, fügte Elisabeth erklärend hinzu.
Der Herzog runzelte die Stirn; dann aber legte sich ein Grinsen auf sein Gesicht. »Von Oettingen, von Bruckberg, von Treist ... Das kleine Mädchen hat bald mehr Titel als Ihr, Frau Margarethe!« Er lachte dröhnend. Man sah ihm die Freude an, seine Stiefmutter endlich einmal demütigen zu können.
»Also ist es wohl der Neid, der Euch zu so lachhaften Forderungen treibt. Nur weil es Euch nicht passt, dass Euch eine weitere kleine Oettingen abhanden kommt. Aber nur, weil der Oettinger das Mädel jetzt nicht mit seinem Busenfreund Fraunberger vermählen kann, werde ich keine Ehe auflösen, die von zwei Menschen in gegenseitigem Einverständnis geschlossen und von einem Priester gesegnet wurde! Letzteres ist doch wohl entscheidend, ob Adel oder Bürger. Und vollzogen habt Ihr den Bund sicher auch, oder, Herr Clemens?«
Der Herzog grinste über das ganze Gesicht. Dieser Fall hatte ihm eindeutig den Tag gerettet. Die Ritterschaft quittierte seinen Scherz mit zotigem Lachen.
Clemens brachte ebenfalls ein Lächeln zustande. »In gegenseitigem Einverständnis und voller Freude«, bekannte er, zog Lucias Hand an die Lippen und küsste sie. Lucia fühlte sich wie im Rausch. Seine Berührung versetzte sie zurück in ihr Haus in Mainz, doch um sie her tobte das Leben der Burg. Sie hatte das Gefühl, irgendwo zwischen den Zeiten zu schweben.
Herzogin Elisabeth nutzte inzwischen die Gunst der Stunde. In den letzten Monaten hatte sie ihren Gatten nie in so aufgeräumter Stimmung erlebt. Sie musste einen Vorstoß wagen.
»Ist es Euch recht, mein Gemahl, dass ich Herrn Clemens die Gastfreundschaft der Landshuter Burg anbiete? Und was Frau Lucia angeht ... Ihr habt mir verboten, junge Mädchen zur Erziehung anzunehmen. Aber erlaubt Ihr mir eine Hofdame, verheiratet und von Adel, die mir aufwartet?« Elisabeth verbeugte sich vor dem Thron ihres Mannes, als wäre sie eine Bittstellerin aus dem Volk. Die Geste musste die sizilianische Prinzessin hart ankommen.
Herr Stephan, schon auf dem Sprung zu seinem Bankett, nickte.
»Herr Clemens hat ein Recht
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