Die Pestärztin
aufschneiden und das Stück Eisen herausholen«, sagte er ruhig. »Dann sollte die Wunde heilen und das Fieber vergehen. Allerdings ist Herr Adrian bereits sehr geschwächt. Ich kann nicht sicher sagen, ob sein Herz der Belastung durch die Operation gewachsen sein wird ...«
»Vor allem den Schmerzen«, fügte Lucia hinzu. Sie hatte immer noch die Menschen vor Augen, die Clemens schreiend unter der Hand gestorben waren, während er versucht hatte, ihre Pestbeulen zu öffnen.
Clemens schüttelte den Kopf. »Schmerzen wird er nicht haben, wir werden ihn in Schlaf versetzen. Du erinnerst dich an die mit Haschisch getränkten Schwämmchen, Lucia?«
»Du hast sie?«, fragte Lucia aufgeregt. »Und sie erweisen sich als brauchbar?«
Clemens nickte stolz. »Gibt es irgendetwas aus dem Erfahrungsschatz des Ibn Sina, das sich nicht als brauchbar erweist? Aron von Greve wandte sie nicht an. Er hatte zu große Angst, als Hexer angeklagt zu werden, wenn er Menschen in todesähnlichen Schlaf versetzte. Außerdem stand ihm die Hanfzubereitung nicht zur Verfügung. Mit dem, was in unseren Landen wächst, geht es nicht so gut. Die Pflanze braucht die Wärme des Südens, um ihre Macht zu entfalten.« Clemens suchte in seiner Tasche und reichte Lucia ein Schwämmchen. Sie roch daran und registrierte einen seltsamen, aber sehr charakteristischen Duft.
Clemens wandte sich derweil wieder an Elisabeth und ihren Ritter. »Aber auch die Betäubung belastet das Herz des Kranken. Es kann sein, Herr Adrian, dass Ihr nicht mehr aufwacht, wenn ich Euch einmal in Schlaf versetze.«
Adrian von Rennes versuchte, sich würdevoll aufzurichten.
»Dann werde ich in den Armen meiner Geliebten einschlafen und mit ihrem Kuss auf den Lippen vor meinen Schöpfer treten«, sagte er ruhig. »Schneidet mich auf, Medikus, und entfernt dieses Übel. Hauptsache, Ihr erlöst mich aus diesem Zustand zwischen Leben und Tod!«
Adrian hätte sich am liebsten gleich unter Clemens' Messer begeben, doch der Arzt setzte die Operation auf den übernächsten Tag fest.
»Es ist heute schon spät. Außerdem muss ich meine Gattin in den Gebrauch der Schwämmchen einweisen. Das Risiko für den Patienten ist sehr viel geringer, wenn man zu zweit arbeitet. Der eine überwacht seinen Puls und seinen Atem, der andere kann sich auf die Chirurgie konzentrieren. Du wirst mir doch helfen, Lucia?«
Er lächelte ihr zu.
»Ich brenne darauf!«, sagte Lucia.
»Hauptsache, Ihr brennt nicht letztlich selbst dafür«, gab Elisabeth auf dem Rückweg zur Burg zu bedenken. »Wenn ich das richtig verstanden habe, wird er so tief schlafen, dass er keinen Schmerz mehr empfindet, keinen Laut mehr hört - man könnte ihn für tot halten. Und dann erweckt Ihr ihn wieder. Das klingt sehr nach Hexerei.«
»Sein Herz wird niemals aufhören zu schlagen, Herzogin«, beruhigte Clemens sie.
Elisabeth nickte. »Ich weiß, und ich glaube es Euch auch. Aber wenn die Schwester Apothekerin auf den Gedanken kommt, zuzusehen ...«
»Wir sollten eine Zeit wählen, in der die Nonnen beschäftigt sind«, meinte Lucia.
Elisabeth überlegte.
»Nach dem Hochamt. Dann treffen die Nonnen sich im Kapitelsaal und besprechen interne Angelegenheiten. Es geht um Übertretungen der Ordensregeln und solche Dinge; die Schwestern klagen sich gegenseitig an. Wenn wir Glück haben, dauert das Stunden. Anschließend verteilen sie die Aufgaben für den Tag, und ein paar Gebete werden auch noch gesprochen. Wie lange werdet Ihr brauchen, Herr Clemens?«
Der Arzt zuckte die Achseln. »Eine Stunde«, erwiderte er. »Vielleicht auch länger. Wir müssen ihn in Schlaf versetzen, den Fremdkörper entfernen, die Wunde nähen ...«
»Du nähst sie einfach zu?«, fragte Lucia verwirrt. »Ich hatte davon gehört, aber ...«
Clemens nickte. »Schon Galen spricht vom Vernähen von Wunden. Und der jüdische Arzt in Granada praktizierte das auch. Mit Seidenfäden ...«
»Das zeigst du mir auch!«, bestimmte Lucia. »Und dann mache ich es selbst.«
Nähen hatte sie schließlich gelernt.
2
L ucia war ebenso begierig, Clemens' neue Techniken zu lernen, wie ihr Gatte auf ihre Übersetzung der neuen Schriften von Ar-Rasi. Die beiden schlossen sich stundenlang in den Räumen ein, die Elisabeth ihnen zugewiesen hatte, und die Mädchen und Hofdamen wollten nicht aufhören, sie deshalb zu necken.
»Frau Lucia und ihr Gatte können die Hände nicht voneinander lassen!«, tuschelte man in den Frauengemächern, und selbst die Ritter
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