Die Pestärztin
berichtete Elisabeth mit sanfter Ironie. Hier hätte man es nur bei miteinander vermählten Paaren absonderlich gefunden.
Elisabeth war einerseits guter Stimmung und voller Zuversicht, andererseits konnte sie ihre Angst und Aufregung kaum verbergen. Clemens von Treist war die letzte Hoffnung für ihren Ritter. Die Schwester Apothekerin fand jetzt schon, dass Herr Adrian im Sterben läge. Elisabeth konnte ihn bei ihren Besuchen immer wieder etwas aufrichten, aber es ging zweifellos dem Ende zu.
Vorerst musste Clemens den Nonnen aber vorgestellt werden und zumindest ansatzweise ihr Vertrauen gewinnen. Lucia hatte zwar vorgeschlagen, ihn erst mal als Freund des Ritters einzuführen, der einfach einen Krankenbesuch machen wollte, aber Elisabeth und Clemens lehnten das ab.
»Ich kann ihn nicht heimlich behandeln, Liebste. Das zu versuchen wäre auch unklug. Irgendwann würde die Schwester Apothekerin es bemerken und mir womöglich wieder mal mit dem Vorwurf der Magie kommen. Das passiert schnell, wenn man unorthodoxe Methoden anwendet. Also gehen wir lieber den steinigen Weg und reden mit der Oberin.«
Insofern verbrachten sie eine enervierende Stunde im Sprechzimmer der Ehrwürdigen Mutter, in der Elisabeth zunächst die Beziehung zwischen Clemens und Lucia klarstellte.
»Wir sind auch deshalb gekommen, um in der Klosterkirche zu beten und Gott für die wundersame, erneute Zusammenführung der Eheleute zu danken!«, erklärte Elisabeth, die sich bewundernswert beherrschte. Doch Lucia kannte sie inzwischen gut genug, um ihre fahrigen Handbewegungen und ihr nervöses Befingern von Kopfschmuck und Gürtel als Zeichen äußerster Anspannung und Ungeduld zu deuten. »Und natürlich werden wir Euch eine großzügige Spende zukommen lassen, um ein paar Dankgottesdienste halten zu lassen ...«
Anschließend berichtete Clemens ausführlich von seinem medizinischen Werdegang, wobei er sämtliche jüdischen Ärzte und arabischen Schriften tunlichst ausließ. Seine unorthodoxen Behandlungsmethoden erklärte er mit dem Besuch der Universität von Salerno.
»Man versucht dort - natürlich auf Gott gefällige Weise - die Geheimnisse des menschlichen Körpers zu entschlüsseln. Unter anderem schneiden wir Tierkörper auf, um zu erfahren, wie es unter der Haut aussieht.«
»Verabscheuungswürdig!«, urteilte die Mutter Oberin. »Seid Ihr Ärzte oder Metzger?«
Clemens schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln. »Manchen Feldschern wird nachgesagt, sie wüssten das Messer nicht halb so geschickt zu führen wie ein guter Schlachter!«, scherzte er. »Aber im Ernst, Ehrwürdige Mutter, es gibt Anzeichen, dass der menschliche Körper dem des Tieres in mancher Weise ähnelt ...«
Die Oberin funkelte ihn an. »Gott schuf uns nach seinem Bilde!«
Lucia seufzte. »Ist es nicht so, dass Gott in jedem Teil der Schöpfung allgegenwärtig ist und in seiner übergroßen Güte wirkt?«, fragte sie sanft.
Die Oberin nickte besänftigt. »So ist es, meine Tochter. Weshalb wir es auch ihm überlassen sollten, zu helfen und zu heilen, wenn es sein Wille ist.«
Clemens bekreuzigte sich. »Und sollte er mir die unendliche Gnade erweisen, dies durch meine Hand zu tun, so können wir ihm nicht genug dafür danken ...«
Elisabeth raffte sich dazu auf, ein kurzes Gebet beizusteuern. Außerdem nahte die Stunde der Non. Die Oberin musste das Gespräch beenden.
Clemens' und Lucias Teilnahme an der Andacht und ihr offensichtlich inniges Gebet überzeugte die Nonnen schließlich davon, hier vielleicht einen Freigeist, aber doch einen ordentlichen Christen vor sich zu haben.
Elisabeth hielt die Messe nicht durch. Sie verschwand durch ihren geheimen Ausgang und kehrte erst zu den Abschlussgebeten zurück.
»Es geht ihm sehr schlecht«, sagte sie hoffnungslos, als sie Clemens und Lucia schließlich zum Gästehaus des Klosters führte. »Aber er freut sich, Euch zu sehen. Er ist immer noch zu kämpfen bereit.«
Adrian von Rennes wirkte jedoch nicht mehr wie ein Kämpfer, als Clemens und Lucia endlich an seinem Bett standen. Lucia erschrak bei seinem Anblick: Sein Zustand hatte sich deutlich verschlimmert, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Damals hatte er abgezehrt gewirkt, jetzt aber spannte sich seine Haut über den Knochen, als bedecke sie einen Totenschädel. Der Ritter war bleich und fiebrig; er schaffte es kaum noch, den Kopf zu heben, um die Besucher zu begrüßen.
»Bleibt einfach liegen, Herr Adrian«, meinte Clemens freundlich.
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