Die Pestärztin
fraglich.
Lucia näherte sich der Klosterpforte mit wild pochendem Herzen. Sie wollte der Pförtnerin schon einen möglichst beiläufigen Gruß zuwerfen, als sie erkannte, dass diesmal nicht die ältere und meist ziemlich bärbeißige Schwester Pförtnerin Dienst am Einlass hatte, sondern eine Laienschwester. Lucia kannte die junge Frau flüchtig; sie hatte ihr einmal geholfen, Tee für Adrian zu bereiten. Gewöhnlich war sie in der Küche tätig, und wahrscheinlich würde sie weder Elisabeths noch Margarethes Hofdamen erkennen.
»Guten Tag, Schwester Mathilde«, grüßte Lucia sie freundlich. »Seid Ihr zur Pförtnerin aufgestiegen?«
Schwester Mathilde, eine noch sehr junge Nonne mit großen hellblauen Augen, sah furchtsam zu ihr auf.
»Ich hoffe, ich mache alles richtig, mit Gottes Hilfe!«, sagte sie unterwürfig. »Aber die Schwester Pförtnerin hat heute Morgen der Schlag getroffen. Nach all den Aufregungen ... Die Schwestern bemühen sich noch um sie, aber sie wird wohl heute Nacht noch heimgehen. Gott sei ihrer Seele gnädig.«
Lucia stimmte eifrig in ein kurzes Gebet für die Seele der Pförtnerin ein, obwohl ihr eher ein Dank auf der Zunge lag. Wenn die Pförtnerin im Sterben lag, war die Schwester Apothekerin beschäftigt. Und alle Ordensfrauen, die sonst nichts zu tun hatten, saßen bestimmt am Krankenbett oder hielten später die Totenwache. Lucia konnte ihr Glück kaum fassen.
Dazu fragte Schwester Mathilde, die nicht die Klügste zu sein schien, nicht einmal nach dem Begehr ihrer Besucherin, bevor sie die Pforte öffnete. Zu groß war ihr Respekt vor der Edelfrau, die zweifellos zum Hofstaat der Herzoginnen gehörte.
Lucia ließ die Pferde an der Pforte, dankte der Schwester würdevoll und begann erst zu rennen, als sie außer Sicht der kleinen Nonne war. Dann aber huschte sie zum Gästehaus. Wenn sie nur nicht zu spät kam und das Zimmer des Ritters verschlossen oder von Soldaten bewacht fand!
Doch der Flur des Gästehauses lag verlassen wie eh und je vor ihr. Die Tür zu Adrians Zelle öffnete sich sofort, als Lucia die Klinke betätigte. Sie vergaß dabei, anzuklopfen, und der Ritter auf seinem Lager schreckte hoch, musste er doch damit rechnen, den Häschern des Herzogs gegenüberzustehen. Er griff denn auch nach seinem Schwert, das am Bett lehnte. Doch mit der linken Hand, dazu behindert von seiner Schwäche, war es ein kläglicher Versuch.
»Lasst das Schwert stecken, Herr Adrian!«, wisperte Lucia.
Der Raum wurde nur von einer einzigen Kerze erhellt. Mehr gestanden die Nonnen einem Gast nicht zu, für den sicher niemand mehr zahlte. Lucia sah Tränenspuren auf dem abgezehrten Gesicht des Ritters.
»Wie geht es ihr?«, fragte Adrian leise. »Ich habe sie im Stich gelassen, ich ...«
»Ihr habt überhaupt nichts falsch gemacht!«, versuchte Lucia ihn zu beruhigen. »Irgendjemand hat geredet, aber das ist nicht Eure Schuld. Ihr müsst jetzt mit mir kommen!«
»Zu Elisabeth?« Der Kranke blickte sie aus fiebrigen Augen an.
Lucia schüttelte den Kopf. Wie konnte er eine solche Frage stellen? Hoffentlich phantasierte er nicht!
»Natürlich nicht, ich bringe Euch nach Landshut. Aber jetzt fragt nicht so viel. Kommt! Ich helfe Euch auf. Wir müssen uns beeilen.«
Lucia legte dem jungen Ritter seinen Mantel um und hoffte, dass es ihr gelingen würde, ihn zu stützen. Er war beängstigend mager und schwach, und Ehrentraut hatte berichtet, dass er beim Versuch, aufzustehen, gestürzt war. Doch jetzt fragte er wenigstens nicht weiter und nahm all seine Kraft zusammen.
»Mein Schwert ...«, flüsterte er.
»Euer Schwert kann ich nicht auch noch schleppen«, erklärte Lucia. »Und Ihr erst recht nicht. Stützt Euch auf mich, wir müssen gehen.«
»Aber ich ...« Adrian wollte über die Heiligkeit seiner Waffen sprechen, über seine Schwertleite, bei der sie gesegnet worden waren, und seine Ehre als Ritter. Andererseits wusste er, dass eben diese sowieso verwirkt war.
»Meine Laute ...« Er sprach die Worte beinahe tonlos.
Lucia warf einen Blick auf das wunderschöne Instrument aus leichtem Holz.
»Die sollte ich gerade noch schaffen«, murmelte sie. »Man hängt sie über die Schulter, nicht wahr?« Ungeschickt versuchte sie, sich das Instrument über den Rücken zu hängen. Adrian nahm es ihr ab.
»Ich kann sie selbst tragen«, sagte er würdevoll.
Lucia antwortete nicht. Die Berührung der Laute schien Adrian Kraft zu geben. Er stützte sich zwar schwer auf die junge Frau,
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