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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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schaffte es aber, das Zimmer zu verlassen. Die nächsten Hürden waren Schwester Mathilde und dann der Ritt nach Landshut.
    »Was meint Ihr, könnt Ihr Euch auf einem Pferd halten?«, fragte Lucia.
    »Ich bin Ritter, Frau Lucia!« Adrians Stimme klang schwach, aber zutiefst beleidigt. »Solange ich lebe, kann ich ein Pferd lenken!«
    Lucia war nicht davon überzeugt, aber jetzt mussten sie ohnehin erst an der Pforte vorbei.
    Schwester Mathilde sah von ihrer Näherei auf.
    »Wohin bringt Ihr denn den armen Herrn Adrian?«, fragte sie freundlich und völlig arglos. »Hat die Herzogin Margarethe - Gott schütze sie für all die Wohltaten, die sie unserem Kloster bereits erwiesen hat - nicht bestimmt, er solle vorerst hierbleiben?«
    Adrian stöhnte leise, als Lucia stehen blieb und ihn damit zwang, sein Gewicht zu verlagern.
    »Frau Margarethe hat es sich anders überlegt!«, erklärte sie mit fester Stimme. »Nun will sie ihn doch heute noch auf der Burg sehen. Seid so gut und öffnet uns, Schwester Mathilde. Ihr seht doch, er kann sich kaum auf den Beinen halten.«
    Die kleine Laienschwester hielt brav, wenn auch zu Tode verängstigt vor den großen Tieren, die Pferde fest, als Lucia dem Ritter auf den kleinen braunen Zelter half. Er schien das Tier als unter seiner Würde zu befinden, sagte aber nichts. Immerhin stieg er mit erstaunlichem Geschick auf den Rücken des Pferdes, ohne die rechte Hand zur Hilfe nehmen zu müssen. Lucia drückte ihm die Zügel in die Linke und stieg auf ihre Pia.
    »Vielen Dank und Gottes Segen, Schwester!«, sagte sie zu Mathilde, ehe sie davonritten. Die kleine Schwester würde Gottes Segen brauchen können. Nicht auszudenken, was auf sie einstürmen würde, wenn die Oberin herausfand, dass sie Margarethes Wünschen zuwidergehandelt und Adrian entlassen hatte!
 
    Der junge Ritter litt sichtlich Schmerzen, obwohl sein zierliches Pferd weich und brav unter ihm lief.
    Lucia wäre gern schneller geritten. Sie befürchtete die Schließung des Judenviertels, die oft schon vor der Zeit erfolgte. Zudem konnten sie den Häschern des Herzogs in die Hände fallen, die Margarethe inzwischen sicher in Richtung Kloster in Marsch gesetzt hatte. Also hielt Lucia sich an alte Strategien und ritt querfeldein. Für Adrian bedeutete dies eine zusätzliche Strapaze. Er war kaum noch bei Bewusstsein, als die beiden schließlich, im Schutz einer ziemlich großen Gruppe heimkehrender Juden, das Tor zum Ghetto durchritten.
    Lucia lenkte ihre Stute zur Apothekergasse und versuchte, die neugierigen Blicke der Leute zu ignorieren, die ihr auffälliges Reittier natürlich erkannten. Schließlich brachte sie beide Tiere im Mietstall unter, auch wenn dies noch einen kleinen Fußmarsch bis zum Haus des Arztes bedeutete. Dabei erkannte sie Clemens' Pferd. Ihre Nachricht hatte den Medikus also erreicht.
    Adrian fiel mehr vom Pferd, als dass er abstieg. Lucia stellte besorgt fest, dass er nicht mehr gehen konnte. Und sie würde es nicht mehr schaffen, ihn zu stützen. Also bettete sie ihn auf eine Strohschütte und drückte den Stallburschen einen Kupferpfennig in die Hand.
    »Hier, kümmert Euch um ihn. Gebt ihm Wasser, wenn er danach verlangt. Ich werde gleich mit dem Medikus zurück sein ...«
    Die Stallburschen waren kleine Bestechungen durch die Edeldamen gewohnt, die hierherkamen, um Schmuck zu versetzen oder eben auch den jüdischen Medikus aufzusuchen. Sie nickten ohne große Neugier. Lucia rannte zum Haus des Arztes.
    Hoffentlich ging das gut! Hoffentlich warf man sie nicht hinaus!

4
 
    E ine Stunde später lag Adrian von Rennes wohlversorgt in einer Dienstbotenkammer im Haus des jüdischen Arztes. Simon ben Jakov hatte sich nicht dagegen gesträubt, ihn bei sich aufzunehmen. Der junge Medikus, der seine Studien in Salamanca nicht einmal ganz abgeschlossen hatte, ehe der Tod seines Vaters ihn zurück nach Landshut zwang, vergötterte Clemens. Der erfahrene Arzt half ihm über so manche Klippe bei der Behandlung seiner ersten Patienten hinweg; vor allem gab er ihm Sicherheit. Simon platzte schier vor Stolz, wenn Clemens seine Diagnosen bestätigte, und holte sich Rat bei der Verordnung von Medikamenten. An diesem Tag hatte er erstmals unter Aufsicht eine kleine Operation durchgeführt. Es war bloß die Amputation einer Fingerspitze gewesen, doch für Simon war es ein Meilenstein auf seinem Weg zu einem angesehenen Arzt.
    Clemens hoffte nur, dass er dem jungen Mann keinen Bärendienst erwies, indem er ihm all

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