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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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nahm ihren Worten die Schärfe. »Tut mir leid, Liebster«, fügte sie dann noch hinzu. »Aber männliche Hilfe brauchen wir diesmal nur bei der Marmorplatte!«
 
    »Noch einmal, ganz langsam, damit ich es auch verstehe ...« Moses Kahlbach sah Clemens von Treist an, als wäre der nicht bei Trost. »Wir sollen Euch helfen, bei Nacht in ein Kloster einzudringen, vielleicht auch auf einen Friedhof, so ganz sicher seid Ihr Euch da nicht. Aber wahrscheinlich in eine Kirche. Da sollen wir ein Grab öffnen, eine Leiche herausholen ...«
    »Keine Leiche, Reb Kahlbach, nur ...«
    »Nur das, was sämtliche Nonnen, die ganze Besatzung der Burg, ihre Frauen und Mädchen und der Ehemann für eine Leiche halten.«
    Reb Kahlbach rieb sich die Schläfen.
    »Genau«, erklärte Clemens und bemühte sich um einen zuversichtlichen Tonfall.
    »Und das werdet Ihr dann wieder zum Leben erwecken ...«
    Clemens verdrehte die Augen.
    »Herrgott, Meister Kahlbach, natürlich werde ich keinen Toten zum Leben erwecken! Wenn wir da ankommen, ist die Frau wahrscheinlich schon wach und halbtot vor Angst. Das Betäubungsmittel muss ja immer wieder erneuert werden, und spätestens nach der Sarglegung kommt niemand mehr an sie heran. Wenn sie Pech hat, wacht sie schon während der Totenmesse auf.«
    »Wir entführen also die angeblich Tote aus ihrem Sarg, verschließen das Grab wieder und machen uns mit ihr aus dem Staub.«
    »Das ist der Plan.« Clemens fand selbst, dass er sich ziemlich verrückt anhörte.
    »Und selbst wenn das gehen sollte«, meinte Kahlbach. »Wozu braucht Ihr uns dabei?«
    Clemens schob die Ärmel seines Talars hoch und ließ demonstrativ seinen Bizeps spielen. Beeindruckend war das nicht. Er lächelte denn auch milde. »Seht mich an, Reb Kahlbach. Glaubt Ihr, ich könnte eine Marmorplatte anheben? Zusammen mit meiner Frau und dem Herrn Adrian, der gerade wieder halbwegs genesen ist? Was wir brauchen, sind zwei starke Männer, die mit Werkzeugen umgehen können. Sie müssen auch halbwegs geschickt sein. Nicht auszudenken, dass wir die Marmorplatte zerschlagen!«
    »Und warum sollen das Juden sein?«, erkundigte Kahlbach sich misstrauisch. »Wir sind nicht gerade bekannt für unsere Körperkraft und unsere Handwerker. Ihr könntet Euch in jeder christlichen Schenke ein paar Gauner mieten, die so stark sind, dass sie mit Marmorplatten jonglieren könnten!«
    Clemens nickte. »Das haben wir auch überlegt. Aber sie wären nicht verschwiegen. Und sie müssten sich erst Mut antrinken, ehe sie eine Kirche schänden. Ganz abgesehen davon, dass sie dumm wären. Sie würden nicht begreifen, dass die ... die Tote nur schläft. Und was sie dann womöglich herumerzählen ...«
    »Der Scheiterhaufen wäre Euch sicher«, meinte Kahlbach gelassen. »Aber reden wir mal über den Preis. Warum sollten wir Euch helfen wollen? Was bekommt die jüdische Gemeinde dafür, dass wir unsere Männer solchen Gefahren aussetzen? Denn über eins seid Ihr Euch doch hoffentlich im Klaren: Wenn sie zwei Juden beim Schänden eines Friedhofs erwischen, brennt hier das ganze Viertel!«
    Clemens biss sich auf die Lippen und holte tief Luft. Es schien ihm nicht leichtzufallen, sein Angebot auszusprechen. »Wenn Ihr mir helft, die Frau aus dem Kloster zu entführen, sorge ich dafür, dass die Ketten von den Toren des Judenviertels entfernt werden. Man wird es später schließen, zusammen mit den normalen Stadttoren. Ihr könntet Eure Geschäfte betreiben wie alle anderen braven Bürger auch.«
    Kahlbach pfiff durch die Zähne. »Ihr seid ein Medikus, von Treist, kein Zauberer! Wie wollt Ihr das erreichen?« Der jüdische Gemeindevorsteher wirkte jetzt noch ungläubiger als eben beim Gedanken an die Wiedererweckung einer Leiche.
    Clemens spielte mit seiner Tasche. »Das ist auch einer der schwierigsten Punkte des gesamten Planes«, gab er dann zu. »Ich kann Euch nicht sagen, wie ich es machen will. Es fällt unter meine Pflicht als Arzt, über meine Patienten zu schweigen. Aber ich hoffe, ich schaffe es.«
    Kahlbach überlegte kurz. »Gut, Medikus. Ich schlage ein, aber nur gegen Vorkasse. Ihr werdet Euren Beitrag zuerst leisten müssen. Aber an dem Tag, an dem die Ketten vor unseren Toren fallen, werden Euch zwei Männer und ein Pferdefuhrwerk zur Verfügung stehen.«
 
    »Das hast du versprochen?«, fragte Lucia verwirrt. Clemens hatte ihr eben strahlend von seiner Abmachung mit dem Gemeindevorsteher erzählt. »Aber wie willst du das hinkriegen? Du müsstest

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