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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Sprich lauter, Mädchen, dies ist keine Kirche!«, dröhnte der Wirt. Er war ein großer, feister Kerl, rotgesichtig und sicher leicht zu erzürnen. Aber sein Gesicht wirkte ehrlich. Lucia zwang sich, ihn anzusehen, während sie ihre Frage wiederholte.
    »Und du willst das sein?«, erkundigte er sich lachend. »Da brauchst aber noch ein bisschen Muckis, bevor du hier die Wassereimer stemmen kannst! Der Brunnen ist im Hinterhof, Kleine. Und hier wird nicht nur schnell gefegt, hier scheuerste jeden Tag! Den Boden und die Tische!«
    Lucia sank der Mut. Sie hatte noch nie einen Fußboden gewischt, und die Möbel bei den Speyers wurden nicht mit Lauge gescheuert, sondern sorglich gepflegt und gewachst. Aber das alles half ihr nichts, dies war die einzige Stelle, die sich ihr bot.
    »Ich ... ich würd's gern versuchen, Meister!«, meinte sie verzweifelt. »Ich bin stärker, als Ihr glaubt.«
    Der Wirt lachte wieder. »So. Nun, dann lach einmal nett, und bring die zwei Humpen Bier zu den Kerlen da drüben. Dann schauen wir mal, was du tragen kannst.« Mit einer raschen Bewegung schob er Lucias Kapuze von ihrem Haar und enthüllte ihr Gesicht. Was er sah, schien ihm zu gefallen. Lucia hoffte, dass ihre Haube noch richtig saß. Sie hatte ihre blonden Zöpfe extra sorgfältig darunter versteckt; niemand sollte denken, sie wollte die Männer locken.
    Nun griff sie nach den schweren Bierkrügen und machte sich auf den Weg. Mehr als Meister Schraders Bügeleisen wogen sie auch nicht, und vor allem konnte man sich kaum daran verbrennen. So kam sie raschen Schrittes durch die Gaststube, und die Zecher, die ihr kurzes Gespräch mit dem Wirt angehört hatten, klatschten ihr Beifall. Lucia schaffte es zwar nicht, die Gäste anzulächeln, vor denen sie die Humpen dann schließlich aufbaute, aber sie machte einen zierlichen Knicks, der die beiden wohl entzückte. Auch der Wirt sah sie mit Wohlgefallen an, als sie jetzt zu ihm zurückkam.
    »Ich mach mich gern auch gleich schon nützlich!«, bot Lucia sich an, obwohl sie nach der Arbeitssuche todmüde war und sich vor allem schwach vor Hunger fühlte. »Wenn ich nur ...«
    »Schon gut, Kleine, du kannst morgen anfangen. Bei Sonnenaufgang kommst du her, die Gäste wollen Frühstück. Für dich soll dann auch ein Brei anfallen. Die Kost hier ist gut, das werden die Jungs dir bestätigen ...« Die Jungs waren, wie sich herausstellte, Willem, der Knecht, und Hannes, der Stallbursche. »Und du brauchst ein bisschen Speck auf den Rippen. Im Wirtshaus wollen die Leute dralle Mägde sehen. Hier ...« Der Wirt schnitt ein fetttriefendes Stück Fleisch ab, legte es auf eine Scheibe Brot und schob es Lucia zu. Das Mädchen verschlang die Nahrung heißhungrig. »Jetzt hilf hier noch ein Stündchen, aber wenn's neun schlägt, gehst du heim, sonst werden die Kerle zudringlich. Und es wird nicht mit den Gästen getrunken, verstehst du? Ich will eine Magd, kein Hürchen.«
    Lucia nickte eifrig und griff nach den nächsten Bierhumpen. Sie war überaus erleichtert über diese Auflagen, obwohl das gebotene Gehalt nur gerade so reichte, den Forderungen der Küferin zu entsprechen. Den Vorschlag des Wirtes, in der Dienstbotenkammer zu nächtigen, lehnte sie trotzdem ab. Der Knecht Willem schlief zwar zu Hause bei seinem Grietgen, aber mit Hannes hätte sie die Kammer teilen müssen. Und der Junge erschien ihr wenig vertrauenerweckend.
 
    Die Arbeit in der Schenke war hart, viel härter als die Lehre bei Meister Schrader. Der Heumarkt-Wirt verlangte tatsächlich eine tägliche, gründliche Reinigung der Gaststube, und an sich war das auch nötig. Lucia beseitigte Lachen von Erbrochenem, Reste von Essen und Pfützen von Wein und Bier, ehe sie den Boden des Schankraums mit Stroh und duftendem Heu bestreute. Noch ekelhafter war die Reinigung des Abtritts - viele Männer schafften es zu später Stunde nicht mehr halb über den Hinterhof, sodass es auch vor der Latrine bestialisch stank, wenn Lucia morgens mit der Reinigung begann. Schon bald waren ihre Hände rau und aufgesprungen von den scharfen Scheuermitteln. Ihre Schultern schmerzten vom Wassertragen, und gegen Mittag meinte sie, keinen einzigen der schweren Holzeimer mit ihrem Henkel aus Weidengeflecht mehr heben zu können. Der Wirt schimpfte auch manchmal, dass es zu langsam ging und dass Lucia für die Arbeit in Küche und Brauerei wenig Geschick zeigte. Aber immerhin erkannte er ihre Bemühungen an, und als sie den Gestank nach Bier und Wein in der

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