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Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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Abend wieder betrunken.«
    »Wieder?«
    »Es passiert öfter mal an den Wochenenden. Vor allem, wenn ich Nachtdienst habe. Ich habe es aus Oisin herausgekitzelt, ohne dass er es gemerkt hat. Gott, er ist so ein Unschuldslamm, verglichen mit ihr.«
    Oisin, ein Jahr jünger als Daisy, war rebellisch, wie man es in seinem Alter eben ist, aber er hatte immer noch Respekt vor seiner Mutter und bewahrte sich einen gewissen Humor. Am leichtesten kam man in seinen zornigen Phasen an ihn heran, wenn man ihn zum Lachen brachte. Daisy dagegen hatte sich im letzten halben Jahr von einem NeoHippie-Mädchen, das auf Duftkerzen und Folkmusik stand, zu einer mürrischen, humorlosen Göre gewandelt, die Musik nur hörte, wenn sie laut war. In vielerlei Hinsicht ein typischer Teenager. Aber die Trinkerei war beunruhigend. Und da sie die Gene ihres Vaters geerbt hatte, war Fran natürlich wegen der langfristigen Folgen besorgt. Ich war jedoch entschlossen, meine Freundin wenigstens für eine Weile auf andere Gedanken zu bringen.
    »Hey, komm, lass uns einfach rausgehen«, sagte ich. »Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, kein Wölkchen trübt den Ausblick.«
    »Aber in meinem Herzen regnet es, hm?« Fran brachte ein Lächeln zustande.
    Ich fuhr. Unterwegs lenkte ich Fran ab, indem ich ihre medizinischen Kenntnisse in Anspruch nahm. »Sag mal, was ist die CD4-Zahl eines Patienten?«
    »CD4-Zellen helfen, uns gegen Krankheiten zu verteidigen. Eine niedrige Zahl ist keine gute Nachricht. Macht dich schutzlos gegen Infektionen. Wieso?«
    »Ein Arbeiter von der Ausgrabung in den Maudlins wurde von einer unbekannten Krankheit befallen. Im St. Loman sagten sie, er hat eine niedrige CD4-Zahl.«
    »Hm. Das ist bei Leuten der Fall, deren Immunsystem geschädigt ist – HIV-positive Personen, zum Beispiel.«
    Ich wusste nichts von Terrys Krankengeschichte. Aber angenommen, er hatte sich auf die Pest bezogen, als er sagte: »Es ist nicht das, was Sie denken«, was hatte er dann mit: »Es ist viel schlimmer« gemeint? Dass er HIV-positiv war oder Aids hatte? Krebs im Endstadium? Oder vielleicht hatte er einfach nur gemeint, dass der Erreger, der ihn befallen hatte, nicht Yersinia pestis war, sondern etwas weitaus Gefährlicheres.

10. Kapitel
    N ach zwanzig Minuten Fahrt näherten wir uns unserem Ziel – einer Aussicht vom Nordufer des Boyne, an einem Ort namens Oldbridge. Um dorthin zu gelangen, mussten wir den Wagen abstellen und dann unsere Malutensilien und das Picknick auf einem Fußweg an einer Friedhofsumgrenzung entlangschleppen, an den Ruinen einer mittelalterlichen Kirche vorbei – die einmal den Rang einer Kathedrale der Diözese Meath innegehabt hatte -, um schließlich über eine Mauer auf eine Wiese zu kommen, die zum Fluss hin abfiel. Von hier hatten wir einen Blick auf eine alte steinerne Bogenbrücke, die sich über den Fluss spannte und der Gegenstand unserer Gemälde sein würde.
    Wir richteten uns am oberen Ende der Wiese ein, unter einem Dornbusch, der aus dem Sockel der Friedhofsmauer wuchs. Nachdem wir eine plastikverstärkte Matte ausgerollt hatten, um darauf zu sitzen, packten wir beide mehr oder weniger die gleichen Materialien aus: einen weichen Bleistift, einen Malkasten, drei Pinsel, einen zusammenlegbaren Wasserbehälter, der wie ein kleiner chinesischer Lampion aussah, eine Flasche Wasser und einen DIN-A3-Block. Mit dem Block auf den angezogenen Knien begannen wir die Eckpunkte der Szenerie leicht zu skizzieren. Wir trugen beide Shorts und T-Shirts, in der festen Absicht, ein wenig Sonne auf Arme und Beine abzubekommen, wenn schon nicht ins Gesicht – wir hatten Baseballkappen aufgesetzt, um die Augen abzuschirmen. Direktes Sonnenlicht konnte auch unsere Farben zu schnell antrocknen lassen, aber das Laub über uns gab genügend Schatten.
    Zwischen uns und dem Boyne schwankte hüfthohes Gras im warmen Wind wie der Bastrock einer Hula-Tänzerin. Schwalben flitzten tief über die Wiese, sodass man es hinter ihren Rücken blau aufblitzen sah, wenn sie ihre Flugkunststücke vorführten. Die Wiese auf der anderen Flussseite wurde oben von einer Weißdornhecke begrenzt, schwer beladen mit weißen Blüten, als hätte man sie auf die Zweige gehäuft. Der Fluss wurde zur Brücke hin flacher, früher musste an dieser Stelle eine natürliche Furt gewesen sein, und das Flussbett war mit Felsen und Steinen übersät, weitere Details, die wir auf unseren Werken einfangen konnten.
    Bald war ich ganz vom Malen in Anspruch

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