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Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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genommen, mischte meine Farben auf der Innenseite des Malkastendeckels und teilte die Welt vor mir in Muster aus zusammenpassenden Farben und Formen ein: braunes Wasser, das um die Felsen unter den Brückenbogen herum in weiß gesprenkelte Stromschnellen umschlug; braune und weiße Flechten auf den Bogen, die ineinander und in den verwitterten Kalkstein übergingen. Die alte Brücke schien ebenso ein Teil der Natur geworden zu sein, wie der Fluss selbst, offen liegender Fels, der von dem fließenden Wasser untertunnelt wurde, beinahe wie vorherbestimmt für diesen Ort.
    Und dann im Kontrast dazu die anderen Farben der Landschaft: die verschiedenen Grüntöne der Wiese, der gelbe Hahnenfuß und das dunklere Gelb der Schwertlilien, die den Fluss säumten und zu nicken schienen; ein Fleck dunkles Schilf mitten im Fluss und dahinter, auf der Wiese jenseits der Straße, Reihen von rotem Mohn, der im Wind schwankte. Und über und unter allem der klare blaue Himmel und sein Spiegelbild in der weniger bewegten Wasseroberfläche flussaufwärts.
    Fahrzeuge überquerten regelmäßig die Brücke, aber wir gewöhnten uns daran. Und gelegentlich gerieten wir im Lauf des Nachmittags in den Blickpunkt von Leuten, die auf der Brücke standen, nachdem sie auf einem Fußweg von einem weiter flussabwärts gelegenen Restaurant namens Celtie Bow dorthin spaziert waren. Die ganze Zeit kam jedoch niemand in unsere Nähe.
    Wir sprachen kaum, während wir arbeiteten, Fran in ihrem unbekümmert lockeren Stil und ich mit meiner viel langsameren und akkurateren Herangehensweise – es hatte sich nichts geändert in diesen gut zwanzig Jahren.
    Schließlich machten wir eine Pause, standen auf und schüttelten die Beine aus, lobten unsere Bilder und sprachen über die Farbmischungen, die wir jeweils für den Himmel verwendet hatten und über die Details, die wir aufgegriffen oder weggelassen hatten. Während ich eine Flasche Rotwein entkorkte, breitete Fran den Inhalt ihres Picknickkorbs aus: kalte Bratwürste, hart gekochte Eier, Emmentaler und Brie in Scheiben, frische Brötchen und Salatsandwichs.
    Als wir zu essen begannen, hörten wir ein paar Kinder in den Ruinen hinter uns spielen. Generationen von Kindern aus Castleboyne hatten schon dort gespielt, aber vor Kurzem hatte ich von Dominic Usher erfahren, dass eine Entschädigungszahlung an einen Teenager, der betrunken über einen Grabstein gestolpert war und sich den Arm gebrochen hatte, wahrscheinlich dazu führen würde, dass man den Friedhof und die Ruine bis auf besondere Gelegenheiten für Besucher sperrte. In Irland wurde neuerdings alles auf den Kopf gestellt.
    Ich hatte das Gefühl, mit genügend zeitlichem Abstand nun über Daisy sprechen zu können, ohne dass Fran gleich aus dem Häuschen geriet. »Worum ging es denn bei deinem Streit mit Daisy heute Vormittag?«
    »Darum, dass sie ohne Sturzhelm auf diesem verdammten Motorrad fährt. Aber es hätte genauso gut um etwas anderes gehen können – wir streiten die ganze Zeit.«
    »Wer ist der Typ mit dem Motorrad?«
    »Das sagt sie mir nicht. Ich hab nur von Oisin herausgekriegt, dass er viel älter ist als sie.«
    »Wie viel?«
    »Er ist achtundzwanzig.«
    »Und das macht dir Sorgen?«
    »Ja, natürlich. Sie ist doch fast noch ein Kind. Und was er sich dabei denkt, das macht mir wirklich Kopfzerbrechen.«
    »Ich glaube, du vergisst etwas, Fran. Es ist derselbe Altersunterschied wie zwischen Finian und mir. Und ich war auch noch in der Schule, als ich für ihn zu schwärmen begann.«
    »Glaub nicht, dass ich nicht daran gedacht habe. Aber du vergisst hier etwas: Du hast ihn aus der Ferne geliebt. Ich meine, ihr zwei seid tatsächlich erst vor ein paar Monaten intim geworden – nach zwanzig Jahren!«
    Das stimmte. »Und bist du dir sicher, dass sie mit ihm schläft? Er muss schließlich wissen, dass sie noch minderjährig ist.«
    »Sie will nicht darüber reden. Sie findet es ätzend, dass ich überhaupt davon anfange. Aber ich habe wahnsinnige Angst, dass sie schwanger werden könnte. Ich habe Kondome in ihrem Zimmer gefunden, aber das kann auch nur Schau sein; du weißt ja, was Gruppendruck ausmacht – man muss den anderen Mädels unbedingt beweisen, wie cool man ist. Und dennoch bringe ich es nicht über mich, ihr die Pille verschreiben zu lassen. Es wäre wie das Eingeständnis, versagt zu haben, oder ein Zeichen, dass ich ihr Verhalten billige. Abgesehen davon könnte es ihre hormonelle Entwicklung irgendwie

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