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Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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Spaziergang hierher zu machen.« Ich bemerkte einen feinen Schweißfilm auf seiner tief zerfurchten Stirn.
    »Sie waren nach der Sonntagsmesse in der Kirche«, sagte ich. Und er war sicherlich auch der Mann gewesen, der Terry im Krankenhaus besucht hatte.
    Mortimer sah mich misstrauisch an.
    »Ich heiße Illaun Bowe.«
    »Ah. Terry hat für Sie gearbeitet, richtig?«
    »Ja. Darf ich fragen, was Sie nach Castleboyne führt?«
    »Was? Die Suche nach dem Heiligen Gral, natürlich«, sagte er sarkastisch. Er wandte sich wieder an Groot. »Was hat Terrys Tod verursacht?«
    »Sind Sie verwandt mit ihm?«
    »Wir standen uns einmal sehr nahe. Ehe er sein Wanderleben begann. Er ist – war – seit Jahren HIV-positiv. Er hoffte immer, man würde ein Heilmittel entdecken. Aber in letzter Zeit hatte er sich mehr ... sagen wir, alternativen Methoden zugewandt. Vor ein paar Wochen schrieb er mir nach London mit der Bitte um Geld; er gab an, er müsse extreme Maßnahmen zur Behandlung seiner Krankheit ergreifen.«
    »Sind Sie deshalb herübergekommen?«, fragte ich. »Um ihm Geld zu leihen?«
    In Mortimers hagerer Wange zuckte ein Muskel. »Vielleicht ... aber ich kam ja wohl zu spät, oder?« Er bohrte seinen Blick in Groots Augen. »Also, was haben Sie festgestellt?«
    »Festgestellt?«
    »Bei der Autopsie, die Sie heute doch wohl durchgeführt haben. Aidspatienten werden immer massenhaft von Krankheiten befallen.« Er sagte es mit einigem Abscheu. »Welche hat ihm schließlich den Rest gegeben?«
    »Er starb an einem septischen Schock.«
    »Das ist, als würden Sie sagen, das Opfer eines Autounfalls starb an seinen Verletzungen. Ich rede davon, was zu dem plötzlichen Verfall geführt hat.«
    »Das haben wir noch nicht ermittelt.«
    Mortimers Wange zuckte wieder. »Ich melde mich gegen Ende der Woche wieder bei Ihnen.«
    »Das wird nicht möglich sein. Bis dahin werde ich nach Südafrika zurückgeflogen sein.«
    Mortimer sah Groot geheimnisvoll an. »Vielleicht«, sagte er. »Vielleicht auch nicht.«
    Er wandte sich an mich. »Ist sie hohl?«
    »Ist was hohl?«
    »Die Statue, die Sie gefunden haben. Ist sie hohl?«
    »Warum fragen Sie?«
    »Ich habe meine Gründe«, sagte er, machte kehrt und ging in Richtung Brücke.
    Wir sahen ihm nach, bis er wieder mit dem Dunkel verschmolz. Dann machten wir uns in unausgesprochener Übereinkunft auf den Rückweg zum Celtic Bow.
    Groot brach als Erster das Schweigen. »Was war das mit der Statue?«
    »Terry Johnston muss ihn am Freitag angerufen und von ihr erzählt haben. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn eine Statue dieser Art hohl wäre, aber so wie er fragt, denkt er an etwas anderes.«
    »Sie sagten, Sie haben ihn in der Kirche gesehen.«
    »Ja. Es war nach der Messe. Er hat ein Buntglasfenster der Muttergottes von Castleboyne betrachtet.«
    Als wir die Treppe zum Restaurant hinaufstiegen, schaute ich zur Brücke zurück und sah einen riesigen Schatten über den Fluss auf uns zurasen. Der Mond ertrank gerade in einer dichten Wolke. Wir standen im Dunkeln auf das hölzerne Geländer gestützt; das einzige Geräusch, das man hörte, war das gelegentliche Plätschern eines Fischs, der unter uns aus dem Wasser tauchte.
    »Seltsam«, bemerkte Groot. »Diese Leute, denen man vorwarf, die Pest nach Castleboyne gebracht zu haben, müssen bei ihrer Reise flussaufwärts genau hier vorbeigekommen sein. Woher kamen sie gleich noch – Drogeeda?«
    Er meinte Drogheda. »Droh-hedda«, korrigierte ich. »Ja. Das ist eine Hafenstadt an der Mündung des Boyne. Soviel wir wissen, traf die Pest etwa zur selben Zeit in Bristol ein, was darauf hindeutet, dass sie vom Kontinent kam. Aber das eröffnet ein breites Feld von Möglichkeiten: von Italien bis Norwegen, von Spanien bis Flandern und Holland – mit all diesen Ländern haben wir zu dieser Zeit Handel getrieben. Ich tippe auf die Niederlande. Und wenn ich recht habe, dann könnten wir durchaus die sterblichen Überreste der Leute gefunden haben, die sie hierherbrachten – oder vermeintlich brachten.«
    »Erstaunlich. Woher können Sie das wissen?«
    Ich konnte sein Gesicht wieder sehen, da der Mond hinter der Wolke hervorgekommen war und eine Silberschicht über den Fluss legte.
    »Die Annalen erwähnen ihre seltsame Aufmachung und ihr Benehmen am Schrein. Zuerst dachten wir, damit sollte nur eine negative Ansicht über diese Leute verstärkt werden – indem man ihre komischen Klamotten und Gebräuche hervorhob. Aber während der Ausgrabung fanden

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