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Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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aufgetaucht, entlang derer sich Spannungen aufbauten. Aber ich wusste nicht, wo diese Linie verlief und welche Kräfte auf sie einwirkten.
    Dann war da dieser Versuch, mich einzuschüchtern, von letzter Nacht. Ich ging die Ereignisse noch einmal durch: die telefonische Drohung, meine Flucht aus dem Haus, die Straßensperre und die Rückkehr nach Hause, wo ich die Möchtegern-Brandstifter fast auf frischer Tat ertappt hätte. Natürlich hatten sie – oder er oder gar sie im Singular? – den Nistkasten in Brand gesetzt, um ihre Sache zu unterstreichen.
    Erst jetzt dämmerte es mir: Das hieß, sie hatten damit gerechnet, dass ich nach kurzer Zeit zurückkehren würde. Wie war das möglich? Weil sie wussten, dass eine Straßensperre errichtet wurde und ich zur Umkehr gezwungen sein würde. Aber dann mussten sie vorab Kenntnis davon gehabt haben, dass eine Quarantäne verhängt werden würde. Die Entscheidung, die Stadt abzuriegeln, dürfte einer begrenzten Zahl von Menschen mitgeteilt worden sein, die aus verschiedenen Gründen informiert werden mussten. Die Familie Bolton gehörte wohl kaum dazu.
    Trotz der Hitze überlief mich ein Schauder.
    Auf dem Rückweg von Longwood House beschloss ich, aus reiner Neugier an meinem Haus vorbei und noch einmal nach Oldbridge zu fahren.
    Etwa einen halben Kilometer von der Kreuzung entfernt, wo ich in der Nacht angehalten wurde, begann ich eine Reihe von Lkws zu überholen, die am Straßenrand parkten. Die Fahrer mussten in der Stadt übernachtet haben und saßen nun fest. Ich sah ein Stück voraus einen Rückstau und beschloss zu wenden, aber ein anderes Auto hatte das Gleiche getan und kam mir entgegen. Ich erspähte eine Lücke zwischen zwei Sattelschleppern auf der linken Seite und ließ den Wagen vorbei.
    Ich befand mich direkt gegenüber dem Friedhof von Oldbridge und der Ruine der Kathedrale auf der anderen Flussseite. Die Grabsteine sahen wie Feldfrüchte auf einem Acker aus, um den sich niemand kümmerte: Manche waren zerbrochen, andere lagen flach am Boden, die meisten standen kreuz und quer aus der Erde wie schlecht gewachsene Zähne. Der Fahrer des Wagens, den ich vorbeigelassen hatte, hupte zweimal kurz, um sich zu bedanken, und ich begann, wieder aus der Lücke zu manövrieren. In diesem Moment nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung zwischen den Grabsteinen wahr. Ein schwarz gekleideter Mann erhob sich, nachdem er eine der horizontalen Steinplatten untersucht hatte: Mortimer.
    Ich beobachtete, wie er sich erneut bückte und den Kopf hin und her drehte, wie eine Krähe, die an einem Stück Aas pickt. Er versuchte, eine Inschrift zu entziffern. Aber es schien nicht das zu sein, wonach er Ausschau hielt, denn er ging weiter durch die Grabsteine, erkennbar nach etwas suchend.

22. Kapitel
    O isin McKeever kam an die Tür und hielt sie mir auf, während ich in die Diele ging. Er hatte einen Fußball unter dem Arm. »Ich gehe gerade weg«, sagte er. »Keine Schule heute – mündliche Prüfungen.«
    »Hast du mal was von dem Mann ein paar Häuser weiter gesehen?«
    »Nein. Und wir haben in den letzten Tagen ständig in der Nähe von seinem Haus Fußball gespielt.«
    »Ist sonst jemand dort ein- oder ausgegangen?«
    »Ich hab niemanden gesehen.«
    »Tust du mir einen Gefallen? Du musst nicht direkt herumschnüffeln, aber wenn der Ball in seinem Vorgarten landet, dann wirf mal einen Blick durchs Fenster, und wenn du eine Damenjacke mit Sonnenblumen darauf siehst, sag mir Bescheid.«
    Fran rief aus der Küche. »Woher hast du gewusst, dass ich gerade Kaffee mache?«
    »So wie van Goghs Sonnenblumen?«, fragte Oisin.
    Ich lächelte. »Ja, genau die.«
    Das Lächeln lag noch immer auf meinem Gesicht, als ich in die Küche kam. Fran saß am Tisch und goss mir eine Tasse Kaffee ein. »Du siehst sehr zufrieden mit dir aus«, bemerkte sie.
    »Es ist nett, wenn sich Oisins weiche Seite zeigt, auch wenn er selbst es gar nicht merkt.« Dann fiel mir auf, dass Fran nicht mehr so verhärmt aussah wie zuletzt. »Du wirkst selbst ganz glücklich.« Ich setzte mich gegenüber von ihr.
    »Ich glaube, Daisy ist über diesen Byrne hinweg. Sie sagt, sie macht heute Schluss.«
    »Gut für sie.«
    »Sie sagte, du hättest ihr erzählt, dass du ihn auf der Brücke gesehen hast. Aber es geht nicht nur um seine Lügen – es hat etwas mit der körperlichen Seite der Beziehung zu tun, glaube ich. So genau will ich es allerdings gar nicht wissen, sonst würde ich ihn wahrscheinlich umbringen.«

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