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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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weißt du.«
    Wie sanft sie seinen Namen aussprach! Eine heiße Woge lief von seinem Hals bis zu den Lenden – und tiefer.
    » Ich mag es nicht, wenn du mich so nennst«, sagte er. » Jemand könnte es hören …«
    Jetzt stand Nele so nah vor ihm, dass er nur noch ganz flach atmen konnte.
    » Ich will dir zeigen, wer ich bin«, sagte sie leise. » Du brauchst mir nichts über dich zu erzählen, obwohl ich sehr gern mehr über dich wüsste.«
    Sie lächelte. Ihre Zähne schimmerten hell. Ganz aus Schatten und Mondstaub schien sie zu bestehen wie die Fee, die ihn lange in seinen Träumen besucht hatte.
    » Schweig!«, sagte er schnell. » Ich will deine Geheimnisse nicht hören.«
    » Und die deinen nicht mit mir teilen?«
    » Hör auf!«, sagte er, damit nicht wieder das Dunkel in seinem Inneren aufzog, das vertraute Gefühl, außerhalb zu stehen. » Ich muss mich schützen.«
    » Auch vor mir?«, kam nicht minder geschwind ihre Antwort. » So wenig Mut hast du?«
    Jetzt blieb er sprachlos.
    Nele nahm den Zweig aus seiner linken Hand und warf ihn ins Feuer. Danach legte sie ihm die Arme leicht auf die Schultern. Die Ärmel ihres Kleides waren nach oben gerutscht.
    Ihre Haut an seiner Haut.
    Ein köstlicher Schmerz schien seinen ganzen Körper zu erfassen. Jakob schloss die Augen, weil er es sonst nicht hätte ertragen können.
    Er brannte.

Drittes Buch
    Der Falke

SIEBEN
    Z wei Rabenkrähen kamen am frühen Morgen angeflogen, als Nebelschwaden das steinerne Rondell der alten Hinrichtungsstätte noch gnädig verhüllten. Groß und blauschwarz ließen sie sich auf dem dreischläfrigen Galgen so selbstverständlich nieder, als sei er ihr Zuhause.
    » Da war jemand noch früher wach als wir«, versuchte Ita einen Scherz. Hennes hatte kaum ein Wort über die Lippen gebracht, seit sie das Ehrentor passiert und die Stadt verlassen hatten. » Jetzt verstehe ich, warum man diesen unheimlichen Ort Rabenstein nennt!«
    Mit Leichenbittermiene sah er sie an.
    » Ich hätte es durchaus noch länger im warmen Bett ausgehalten.« Der übervolle Leiterwagen, den er murrend gezogen hatte, erhielt einen wütenden Schubs. » Nicht einmal eine ordentliche Morgensuppe habe ich im Bauch. Was willst du denn jetzt schon hier? Ist doch noch keine Menschenseele weit und breit zu sehen!«
    » Was sich bald ändern wird«, sagte Ita. » So eine Hinrichtung will in diesen Zeiten doch kaum einer verpassen. Und geh gefälligst behutsamer mit meinen Kostbarkeiten um – ist alles bares Geld! Heute wird mein großer Tag. Das habe ich im Blut.«
    Mit schmalen Augen beobachtete sie, wie er den Leiterwagen mit ein paar Steinen fixierte, damit er nicht wegrollte, und dann damit begann, Bretter für einen provisorischen Stand auszuladen. Schließlich nahm er Hammer und Nägel zur Hand und zimmerte alles zusammen.
    » Nicht so weit abseits«, kommandierte Ita, als er das wacklige Etwas aufstellen wollte. » Da sieht mich ja keiner!«
    » Ein wenig Platz solltest du dem Scharfrichter schon gönnen«, knurrte Hennes zurück. » Lass mich also in Ruhe meine Arbeit verrichten!«
    » Von Pelzen verstehst du eindeutig mehr«, kommentierte sie schließlich das Ergebnis. » Aber ich will fürs Erste zufrieden damit sein.«
    Der windschiefe Stand sah aus, als würde er die nächsten Stunden kaum überstehen. Sollte ein Kunde sich zu stark aufstützen, konnte alles unter ihm zusammenkrachen. Trotzdem fing Ita an, ihre Schätze auszulegen. Ganz vorn kam das Billigste, das jeder sich leisten konnte: getrockneter Beifuß und Geißklee, dazu Sträußlein von Pestwurz. Wacholderöl in dicken Tontöpfchen, um das Holz der Bettstatt zu tränken, in der man schlief. Leinensäckchen, gefüllt mit grob geschnittenen Breitwegerichblättern, die man sich um den Hals hängen oder an den Körper binden konnte, um die Pest abzuwehren.
    Ab der Mitte wurde es kostspieliger. Hier breitete Ita Diptam, Pimpernell und Blutwurz aus, die weitaus schwieriger zu beschaffen waren. Daneben stellte sie bauchige kleine Tongefäße, in die sie ein Pulver aus Aloe, Myrrhe und Safran gefüllt hatte, das bei Sonnenuntergang mit Essig einzunehmen war, ihre Spezialmischung, die besonders häufig verlangt wurde. Hausgemachten Theriak bot sie in schmalen Glasfläschchen an, die schnell leer sein würden, was bedeutete, dass die Kunden unweigerlich wiederkommen mussten, wenn sie sich dauerhaft schützen wollten.
    Ihre wertvollsten Schätze jedoch trug sie am Körper, in einer Art Bauchladen, der zwar

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