Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
damit entgehen. Ich bekomme dann zwanzig Albus von dir.« Endlich hatte sie zu ihrem üblichen Geschäftston zurückgefunden.
    » Zwanzig Albus? Das ist ja reinster Wucher!«, beschwerte er sich, während er umständlich nach den Münzen kramte.
    » Ist sie dir das etwa nicht wert?«, konterte Ita. » Lass sie das bloß nicht hören! So etwas mögen wir Frauen nämlich nicht.«
    » Sie kommen, sie kommen!«, schrie eine schrille Frauenstimme. » Ich sehe schon den Grewen, den Henker, die Büttel, den Karren …«
    Graf Bornweg, in dunklem Tuch mit grünem Barett, ritt einen braunen Wallach, dessen stattliche Höhe ihn noch winziger erscheinen ließ. Hinter ihm schritt der rot gewandete Scharfrichter, gefolgt vom schwarzen Henkerskarren, den eine Schindmähre zog. Je zwei Büttel flankierten ihn.
    Die Verurteilte stand schwankend und klammerte sich so fest an die Stäbe des Karrens, dass ihre Knöchel an den gefesselten Händen weiß hervortraten. Den Kopf mit den schmutzig blonden Stoppeln hielt sie gesenkt. Ihr graues Armesünderhemd wies keine verräterischen Brandspuren auf. Offenbar hatte man darauf verzichtet, sie unterwegs zusätzlich mit glühenden Zangen zu malträtieren, wie es vielfach Brauch war.
    Manche Zuschauer schienen deshalb enttäuscht zu sein.
    » Hängt die Mörderin!«, schrie ein Mann. » Lasst sie endlich baumeln! Nie wieder soll sie Gelegenheit erhalten, einen Unschuldigen zu vergiften!«
    Als sei sie sich erst bewusst, wo sie sich befand, hob die Verurteilte langsam den Kopf. Die vielen Gaffer ringsumher, die sie feindselig anstarrten, schienen ihr keine Angst einzujagen, im Gegenteil, sie stand trotz ihrer offensichtlichen Hinfälligkeit und Schwäche plötzlich aufrechter.
    Sie riss den Mund auf, blieb aber zunächst stumm.
    » Unschuldisch?«, stieß sie schließlich hervor, so ungeschlacht und rau, als habe sie schon seit Wochen nicht mehr gesprochen. » Nein! Er hat den Tod verdient. Isch bereue nischtsch – gar nischtsch!« Ihre Augen, mit denen sie die Menge beschwörend musterte, waren riesengroß und dunkelbraun.
    » Aber das ist sie nicht«, hörte Ita ihren Kunden plötzlich stammeln, während ihr ein Schauer nach dem anderen über den Rücken lief, weil sie zutiefst erschrocken gerade das Gleiche gedacht hatte. » Das ist doch nie und nimmer …« Er schüttelte den Kopf und fuhr sich dabei mit der Hand über das Gesicht, als wollte er etwas wegwischen.
    » Hingerichtet wird heute Lenne Wagner, angeklagt und überführt des Giftmordes an ihrem Ehemann Bertram Wagner.« Die helle Stimme des Grewen war eisig. » Waltet Eures Amtes, Scharfrichter, und bringt sie, wie das Urteil lautet, vom Leben zum Tod.«
    Für einen Moment hatte Ita ihm den Rücken zugedreht, um keines der Worte des Grewen zu versäumen, auch wenn ihr jedes davon wie ein Stich in die Magengrube fuhr. Als sie sich wieder ihrem besonderen Kunden zuwenden wollte, war der Stand leer.
    Das Säckchen war verschwunden. Und er dazu.
    Zudem hatte er sie betrogen: Nicht eine Münze lag auf dem billigen Brett.
    x
    Obwohl Hennes ihr keine Ruhe ließ, wartete Ita ab, bis der Scharfrichter seine Verrichtungen nahezu abgeschlossen hatte. Noch immer baumelte die Giftmörderin am Galgen, eine besondere Anordnung des Grewen, der verfügt hatte, dass sie erst gegen Abend abgeschnitten werden sollte, um die Abschreckung zu verlängern.
    Ita hätte durchaus fröhlich sein können angesichts der Münzen, die nun in ihrer Schatulle klimperten, aber trotz des enormen Erfolgs fühlte sie sich müde und bedrückt. Ein feiner Regen hatte eingesetzt, der über kurz oder lang ihren Wollumhang durchdringen und noch schwerer machen würde. Außerdem musste sie zusehen, wie sie ihre restlichen Schätze möglichst wohlbehalten zurück in die Stadt bekam, denn die Kunden würden bald in die Schwalbengasse kommen, um Nachschub zu kaufen.
    » Wann ist die nächste Hinrichtung angesetzt?«, fragte sie den Scharfrichter, als sie zu ihm trat, während er die kärglichen Habseligkeiten der Toten sortierte. » Mir ist zu Ohren gekommen, dass noch eine Gefangene im Frankenturm einsitzt, die ihren Mann getötet haben soll. Arnheim lautet ihr Name. Johanna Arnheim.«
    » Wüsste nicht, was Euch das angehen sollte«, erwiderte er, ohne den Blick zu heben. » Oder seid Ihr etwa eine Verwandte?«
    Hinter dem Scharfrichter machte Hennes ihr beredte Zeichen, sie aber ließ sich nicht davon beirren. Sie holte eine dicke Silbermünze hervor und ließ sie

Weitere Kostenlose Bücher