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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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lästig war, weil er sie unbeweglich machte und die schmalen Gurte in ihre Schultern schnitten, gleichzeitig jedoch garantierte, dass keiner sich ungefragt bedienen konnte. Nachdem sie ihn mit Hennes’ Hilfe umgeschnallt hatte, wurde sie langsam ruhiger.
    » Jetzt können sie kommen«, sagte sie. » Ich bin für alle Fälle gerüstet.«
    Als hätten sie sie gehört, trudelten nach und nach immer mehr Schaulustige ein. Der Pestfluch, der auf Köln lag, hatte die Menschen in die Häuser verbannt. Zum ersten Mal seit Wochen trauten sie sich wieder in größerer Anzahl hervor. Ein paar besonders Vorwitzige wagten sich sogar in die Kesselkuhle, eine Bodensenke, wo vor Jahren die beiden Protestanten öffentlich verbrannt worden waren.
    » Hab ich’s dir nicht gesagt?«, rief Ita, als Bäckersleute Berge von salzigen Brezeln und süßen Schnecken anboten, während ein Stück weiter fleißig Metkrüge entkorkt wurden. » Nur der frühe Vogel fängt den Wurm. Schau dir nur einmal an, wie weit hinten die stehen müssen! Umsatz werden sie trotzdem machen. Essen und trinken wollen die Leute schließlich immer. Und weißt du was? Ich hab auch schon ein riesiges Loch im Bauch.«
    » Wie kannst du jetzt nur an Essen denken?«, sagte Hennes, der von Augenblick zu Augenblick unbehaglicher dreinschaute. » Gleich muss der Karren eintreffen. Dann laden sie sie aus, und wir werden Zeuge, wie Johanna der Henkersstrick umgelegt wird …«
    » Wenn sie tot ist, brauchst du dir um dein Lilienhaus keine Sorgen mehr zu machen«, entfuhr es Ita, die seine Aufregung mit einem Mal kaum noch ertragen konnte. » Du wolltest doch, dass sie stirbt.«
    » Du etwa nicht?« Ihre ungewohnte Heftigkeit schien ihn zu erschrecken. » Sag jetzt bloß nicht, dass es dir leidtut!«
    » Ich wäre anders vorgegangen«, wich sie aus. » Aber nun ist es, wie es ist, und wir werden das Beste daraus machen.« Ita legte den Kopf ein wenig schräg. » Komm nicht zu oft in meine Nähe, solange so viele Gaffer herumlaufen, versprichst du mir das?«
    Seine Lippen wurden schmal.
    » Aber zum Herschleppen hab ich dir sehr wohl getaugt! Und mein Haus scheint dir auch zu gefallen. Oder sollte ich mich da etwa täuschen?«
    Ita warf ihm eine Kusshand zu und verdrehte dabei kokett die Augen.
    » Dass du immer gleich aus der Haut fahren musst! Es ist der Mann, der mir gefällt – ich denke, das solltest du inzwischen wissen. Für meine Arbeit brauche ich nun einmal Ruhe und Sammlung. Wie sonst soll ich die Menschen vor Krankheit und Bedrängnis schützen?«
    Grummelnd verzog er sich, während sie sich hinter ihrem Stand postierte und ein gewinnendes Lächeln aufsetzte. Nicht einen Augenblick zu früh, denn schon näherten sich die ersten Interessenten.
    » Ihr wollt der Seuche entrinnen, der Hinrichtung beiwohnen – und gleichzeitig das eigene Leben schützen? Dann seid ihr nicht umsonst gekommen!«, rief sie so laut, dass noch mehr Leute aufmerksam wurden und zu ihr drängten. » Kommt her, her zu Ita, die wird euch helfen!«
    Die preiswerten Kräuterbündel verkauften sich so rasch, dass sie immer wieder nachlegen musste, aber auch Diptam und Theriak gingen zügig über den Brettertisch. Besonderes Interesse jedoch fanden die blutroten Säckchen in Itas Bauchladen, Spezialamulette, über deren geheimen Inhalt sie verschwörerische Andeutungen machte, wenn einer vor dem unverschämten Preis zurückzuckte, den sie dafür verlangte.
    » Das Feinste vom Feinen! Selbst Fürsten und gekrönte Häupter tragen meine Amulette um den Hals und schützen sich somit vor einem schrecklichen Ende. Ja, wer der Pest entkommen will, muss eben ein wenig tiefer in die Tasche greifen …«
    Inzwischen war es so voll geworden, dass der Platz vor dem Galgen einem Jahrmarkt glich, wenngleich Gaukler oder Spielleute an diesem Tag verboten waren. Auch schlich allerlei Gesindel herum, wie Ita schon bald erkannte, die das lange Unterwegssein zu einer aufmerksamen Beobachterin gemacht hatte. Ein Hüne mit einem blinden Auge fiel ihr auf, der einen langen dunklen Mantel trug, in seiner Begleitung ein anderer, dessen Wange aussah, als hätte ein Krallentier ihn gezeichnet. Ein paar Weiber schienen zu ihnen zu gehören, eine pralle Dunkelhaarige, die sich an fremde Männer drängte, um an ihre Börsen zu kommen, dazu eine schmalere Braune, die offenbar weniger geschickt beim Taschendiebstahl war und irgendwann rasch Fersengeld geben musste, weil ein dicker Mann ihr mit lautem Fluchen nachsetzte.
    »

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