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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Ich brauche ein Pestamulett.« Die Stimme eines jungen Mannes ließ Ita zusammenfahren, noch mehr aber der Blick in seine Augen. Grün waren sie, weit auseinander liegend, mit dunklen Wimpern, die ihre ungewöhnliche Farbe unterstrichen. » Das Allerbeste, das du zu bieten hast!«
    » Dich kenn ich doch«, brachte sie mit einiger Anstrengung hervor, obwohl ihre Kehle auf einmal staubtrocken war. » Im Haus am Berlich hab ich dich neulich erst gesehen.«
    Er zuckte die Achseln und begann am rechten Ohrläppchen zu zupfen, eine Geste, die ihr so vertraut war, dass sie aus Versehen beinahe aufgeschrien hätte. Seine Fingernägel fielen ihr dabei ins Auge, bis aufs Fleisch abgekaut, eine Angewohnheit, von der sie ihn damals vergeblich mit eingeriebenem Kümmelöl abbringen wollte.
    » Kann sein«, sagte er. » Aber für eine Hübschlerin bist du wohl schon zu alt.« Sein Blick wurde schärfer.
    Trotz der morgendlichen Kühle begann sie am ganzen Körper zu schwitzen. Die Rabenkrähen hatten den Galgen verlassen, flogen nun dicht über ihren Köpfen und begannen zu krächzen, als wollten sie den drohenden Untergang mit ihren rostigen Rufen bekräftigen.
    Hatte er sie erkannt?
    Sie wusste genau, wer er war. Er war noch sehr klein gewesen. Aber wer konnte schon sagen, was Kinder in diesem Alter behielten?
    Sein Gesicht war um einiges schmäler als in ihrer Erinnerung, die Nase prägnant. Noch immer besaß er jene vollen roten Lippen, die er schon damals unwillig verzogen hatte, wenn etwas nicht nach seinem Willen gegangen war. Inzwischen war freilich aus dem aufbrausenden Kind, das vor Wut geweint oder sich zu Boden geworfen hatte, um seinen Kopf durchzusetzen, ein junger Mann geworden, dessen muskulöser Körper verriet, dass er sich sehr wohl verschiedenster Angreifer zu erwehren wusste.
    » Ich heile Menschen, die in Not sind«, sagte Ita, jedes einzelne Wort bedächtig abwägend. » Egal, ob sie nun Könige oder Huren sind. Wie viel willst du denn ausgeben?«
    » Nur das Allerbeste!«, wiederholte er, deutlich unwilliger, während sie nicht aufhören konnte, ihn weiterhin anzustarren. » Bist du taub?«
    Was er wohl sagen würde, wenn der Karren mit der Verurteilten anrollte?
    Würde er sie erkennen – und was dann?
    Ita kramte in ihrem Bauchladen und zog dann etwas heraus.
    » Ich hätte da eine Alraune in Form eines Kruzifixes.« Sie zögerte einen Augenblick, dann aber fuhr sie fort. » Getränkt mit dem Blut eines Gehängten …«
    » Kannst du behalten!«, fuhr er sie an. » Sonst noch was?«
    » Durchaus, durchaus«, murmelte sie.
    Die Feder vom Erzengel Gabriel würde sie ihm gewiss nicht zeigen – und wenn sie ihn früher noch so oft in den Armen gewiegt hatte. Plötzlich hatte sie wieder seinen frischen Kindergeruch in der Nase, von dem sie damals nicht genug bekommen konnte. Nach Sonne hatte er geduftet, nach Heu, nach Leben. Manchmal hatte sie sich sogar vorgestellt, es sei ihr eigener Sohn, der sich Schutz suchend an sie schmiegte und mit ihren Haaren spielte, kurze, köstliche Augenblicke, von denen sie gelegentlich bis heute träumte.
    » Bist du eingeschlafen?«
    Diesen arroganten Tonfall hatte er eindeutig von seiner Mutter. Mit einem Mal waren Itas rührselige Anwandlungen verflogen. Nichts als ein fremdes Balg war er gewesen, das Kosten verursacht und sie in erhebliche Schwierigkeiten gebracht hatte, bevor sie endlich wieder zur Besinnung gekommen war und den einzig vernünftigen Entschluss getroffen hatte.
    » Keineswegs«, erwiderte sie. In einiger Entfernung glotzte Hennes unverwandt zu ihnen herüber. Fehlte gerade noch, dass er angelaufen kam und sich einmischte! » Nimm das rote Säckchen mit dem blauen Band! Damit fährst du gut.«
    So wie er aussah, blieb er sicherlich nicht lang allein. Die Schönheit seiner Mutter hatte sich mit etwas Dunklem, Männlichem gekreuzt, das ihn unwiderstehlich machte.
    Wie viele Herzen er schon gebrochen haben mochte? Auch darin war er offenbar ganz der Sohn seiner Mutter.
    » Für deine Liebste?«, fragte sie auf gut Glück.
    Es gefiel ihr, dass er plötzlich verlegen wirkte, was ihn jünger machte und sie noch sicherer werden ließ.
    » Nun, dann werden Safran, Moschus und Krötenpulver ihre schützende Wirkung tun, darauf kannst du dich verlassen! Ein Pestkranker könnte seine Hand auf sie legen oder sie sogar inniglich an sich drücken – und sie würde trotzdem gesund bleiben. Selbst diesem schrecklichen Husten, der das Blut in die Lungen drückt, wird sie

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