Die Pestmagd
vorgesorgt. Mochten Christian und Ruch ruhig glauben, er würde sich mit dem mickrigen Anteil zufriedengeben, den sie ihm einräumten – jemand wie er, der sich seit Kindestagen allein durchbringen musste, wusste genau, wie das Spiel lief.
Er war in den Fluss gesprungen, um sauber zu sein, hatte ein frisches Hemd angezogen und danach die eingenähten Münzen aus dem Saum des schmutzigen genestelt, das er anschließend in den Auen zurückließ.
Sein Klopfen war herrisch. Zufrieden, dass die Tür sich rasch öffnete, musterte er den Mann, der ihm misstrauisch entgegenstarrte, mit offenem Blick.
» Ich will zu der Blonden«, sagte er.
» Zu Bela? Vergiss es! Du wirst dich mit anderen begnügen müssen. Bist du neu in Köln?«
» Bin ich. Und du bist der Hurenwirt?«
» Conrat Wolter. Mein Haus ist gut bestellt.«
» Dann hol mir jetzt Bela!« Sein Fuß stieß die Tür weiter auf. Er hörte Kichern, das Geräusch von Wasser.
Seine Ungeduld wuchs.
» Hast du mich nicht verstanden?«, fragte Wolter. » Bela ist nur bestimmten Kunden vorbehalten …«
Auf seine Hände hatte er sich verlassen können – seit jeher.
Blitzschnell waren sie an Wolters Hals, umklammerten ihn, bis die Lippen des Hurenwirts bläulich anliefen.
» Bela«, wiederholte er sanft, als spräche er zu einem unartigen Kind, und lockerte seinen Griff ein wenig, sodass der andere nach Luft japsen konnte. » Und keine andere. Sag ihr, die Krähe erwarte sie!«
x
Es dämmerte bereits, als hart an die Tür des Lilienhauses geschlagen wurde.
Sabeth riss den Mund auf und begann loszuschreien. Mieze sprang mit einem Satz von ihrem Schoß.
Johanna strich der Alten beruhigend über den Kopf, als sie öffnen ging.
Zwei Männer standen vor der Tür, Gerichtsbüttel, wie sie an den roten Bändern erkannte, die an ihre Ärmel genäht waren.
» Ihr seid die Witwe Arnheim?«, fragte der Ältere der beiden. » Johanna Arnheim, einstmals verehelicht mit dem Glasmaler Severin Arnheim?«
» Ja, die bin ich«, erwiderte sie beklommen. » Aber was wollt Ihr denn von mir?«
» Wir müssen Euch mitnehmen.« Der ältere Büttel fasste nach ihrem Arm. » Und je weniger Aufsehen Ihr verursacht, desto besser für Euch!«
» Das muss ein Irrtum sein.« Johanna riss sich los. » Ich habe nichts verbrochen.«
Der jüngere Büttel verzog den Mund.
» Der Irrtum liegt ganz offenbar auf Eurer Seite. Gegen Euch wurde Anzeige wegen Gattenmords erstattet«, sagte er. » Jegliche Gegenwehr wäre zwecklos. Ihr könnt uns nicht entkommen. Der Grewe hat angeordnet, Euch unverzüglich in Haft zu nehmen.«
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» Es fehlt so gut wie an allem, Exzellenz.« Vincent de Vries war kurz davor, in Rage zu geraten. So lange redete er schon auf den Erzbischof und dessen Berater ein – und noch immer schienen sie unbelehrbar.
» Vor allem steht bis dato jeglicher Beweis aus, dass die von Euch geforderten Mittel auch nur den geringsten Nutzen zeigen«, rief Gisbert Longolius. » Die verschiedenartigen Theorien über die Entstehung der Pestilenz …«
» Theorien?«, unterbrach ihn Vincent erregt. » Ich rede von der Praxis. Mehr als zwanzig Menschen sind schon tot. Und bald werden es zehnmal so viel sein – an einem einzigen Tag, wenn das Schicksal uns übel will. Und da scheut Ihr die Kosten für Masken, Handschuhe und Räucherwerk?«
Was tat er hier eigentlich noch?
Am besten wäre es, sein Pferd zu satteln und davonzureiten!
Aber musste er zuvor Johanna nicht noch einmal ausdrücklich warnen, trotz allem, was sie ihm angetan hatte?
» Unser Schicksal liegt allein in Gottes Hand«, sagte Hermann von Wied. » So war es – und so wird es immer sein. Wir sollten die Plage, mit der er uns derzeit bestraft, als Möglichkeit sehen, unsere Seelen zu läutern. Ja, wir sind in der Tat vom rechten Glauben abgefallen. Deshalb versuche ich alles, um die göttliche Gnade wiederzuerlangen. Wenn mir allerdings mit Vehemenz entgegengearbeitet wird …« Sein Blick glitt zum Kanzler. » So muss ich mich fragen, ob ich die richtigen Berater an meiner Seite habe.«
» Wir mussten das Religionsgespräch absagen«, konterte vom Hagen. » Stellt Euch vor, all die Theologen, die Ihr dazubitten wolltet, wären nach Köln gekommen – und hier erkrankt!«
» Die Anwesenheit solch großer Geister hätte unserer Stadt gut angestanden«, beharrte der Erzbischof. » Wie lange wird es nun dauern, bis ich sie wieder im Schatten des Doms versammeln kann!« Er wandte sich an Vincent. » Wir haben sieben
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