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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sie verschwörerisch. » Mittlerweile bin ich sicher, dass es Zwillinge sind, wie der kluge Medicus mir prophezeit hat. Ludwig hab ich freilich noch nichts davon gesagt. Wo er doch schon genug Sorgen hat.« Sie musterte prüfend die Krähe. » Was wollt Ihr von der Frau?«, fragte sie.
    Er zog seine Hand zurück.
    » Hat sie Euch verlassen?«, bohrte sie weiter. » Aber Ihr liebt sie noch immer? Sucht Ihr deshalb nach ihr?«
    Er nickte stumm. Sollte sie doch denken, was sie wollte, Hauptsache, es brachte ihn weiter.
    » Wie gut ich Euch verstehen kann! Liebe kann schmerzen«, sagte die Schwangere. » Das hab ich selbst schon erfahren müssen. Und doch ist sie es, die unsere Tage erwärmt. Ohne Liebe ist alles sinnlos. Manchmal allerdings sollte man besser …«
    » Ennelin?« Der Ruf des Baders war laut und ungeduldig. » Ennelin, wo bleibst du denn? Die Herren warten.«
    » Ihr hört, ich muss zurück«, sagte sie. » Ihr seid doch noch so jung. Wenn Ihr meinen Rat hören wollt, so vergesst diese Johanna! Bestimmt findet Ihr irgendwann eine andere, die Euch von Herzen liebt. Ich wünsche Euch alles Glück der Welt!« Damit war sie erstaunlich behände nach drinnen verschwunden.
    Sie wusste etwas! Beinahe wäre sie damit herausgerückt. Aber warum hatte sie es dann für sich behalten? Weil der Bader nicht wollte, dass sie redete?
    Dann musste er versuchen, sie allein abzupassen.
    Die Krähe überquerte die Gasse und bezog Posten im Torbogen gegenüber. Von dort aus hatte er das Badehaus genau im Blick. Der Alte hatte ihm beigebracht, wie man sich unsichtbar machen konnte, eine Technik, die er jetzt anwendete. Sein staubiges Gewand schien mit der Wand zu verschmelzen, er zog den Kopf ein und machte die Augen schmal. Innerlich war er gespannt wie eine frisch aufgezogene Saite.
    Eine ganze Weile geschah nichts, dann öffnete sich die Tür und spuckte drei seltsame Gestalten aus, hochgestellte Herren, ging man von ihrer Kleidung aus, denn sie trugen Schecken aus feinem Tuch, dunkle Beinkleider und neue Schuhe. Doch warum in aller Welt zerrten die drei einen Karren mit allerlei Kästen und Kasten hinter sich her und schwankten, als ob sie getrunken hätten?
    Der Dickste von ihnen hielt nach ein paar Schritten inne und schob seinen Ärmel nach oben, als ob er den Stoff nicht länger mehr auf der Haut ertrüge. Er begann zu kratzen, fluchte und schimpfte, während die anderen beiden, ein Magerer und ein Großer, ihn vergebens zu beruhigen versuchten.
    » Gesund machen wollte er uns, das hatte er fest versprochen«, sagte der Dicke. » Doch was ist stattdessen geschehen? Unser Silber sind wir los – die Seuche aber nicht.« Wild gestikulierend bogen sie in die Große Budengasse.
    Kurz erwog die Krähe, ihnen zu folgen, verwarf diesen Plan jedoch wieder. Sie würden ihn gewiss nicht zu Johanna führen, obwohl ihre Geldkatzen ihn durchaus reizten. Seine Besuche im Haus am Berlich verschlangen mehr, als ihm lieb war. Bela schien unersättlich, nicht nur was die Lust betraf. Sein kleiner Vorrat an Kupfer- und Silbermünzen neigte sich bedenklich dem Ende zu. Natürlich hatte er längst herausgefunden, wo auf dem Gelände des Melatenhauses Christian und Ruch ihre Anteile versteckten. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, sich dort zu bedienen, aber er wollte keinen Unfrieden in der Bande, solange sein Ziel nicht erreicht war. Besser also, sich bei den Einbrüchen noch gründlicher umzusehen als bisher.
    Er spähte zum Himmel. Die Sonne stand deutlich tiefer. Die klammen Nächte ließen ihn inzwischen spüren, dass der Herbst fortgeschritten war. Noch war es halbwegs trocken, doch damit konnte es von einem Tag zum anderen vorbei sein. Die Winter am Rhein waren lang und unangenehm feucht, das hatte er oftmals erleben müssen, wenn er mit dem Alten durchnässt, schniefend und hustend nach einem Unterschlupf suchte.
    Er hatte sich geschworen, nie wieder frieren zu müssen. Bevor der Regen einsetzte und dann zu Graupeln oder gar Schnee wurde, der bis in den April hinein liegen bleiben konnte, wollte er längst im Süden sein, frei wie ein Vogel, endlich ohne jene Zentnerlast von Hass und Rache, die sein Herz vergiftet hatte.
    Ob Nele wirklich mit ihm ziehen würde? Inzwischen schien sie erschrocken über das, was da in seiner Gegenwart über ihre Lippen gekommen war. Sie ging ihm aus dem Weg und wirkte fast wieder so scheu wie am Anfang. Manchmal hatte er das Gefühl, dass jemand aus der Bande sie einschüchterte, aber er hatte

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