Die Pestmagd
Blick.
» Sie ist nicht mehr ganz bei Sinnen, müsst Ihr wissen«, sagte Hennes schließlich. » Eine alte Vettel, die nichts als Unsinn brabbelt und kaum noch weiß, wer sie ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wie Ihr …«
» Wo ist Sabeth?«, unterbrach ihn Vincent, der die offenkundigen Lügen nicht länger ertrug.
» Weggelaufen, stellt Euch vor!«, sagte Ita. » Das undankbare Ding! Dabei hat Hennes es so gut mit ihr gemeint. Und was macht sie? Stiehlt ein paar Sachen, die uns lieb und teuer waren, und verschwindet. Und das Katzenvieh gleich mit dazu.«
Vincent glaubte ihr kein einziges Wort. Dazu ruckte ihr Hals zu aufgeregt hin und her, dazu nestelte sie zu verlegen an ihrem billigen Geschmeide.
» Wir weinen ihr keine Träne nach«, fuhr sie fort. » Zum Glück hat Meister Arnheim jemanden an seiner Seite, der in diesen schweren Zeiten viel besser für sein Wohl sorgen kann.« Sie leckte sich genüsslich die Lippen. Dann wurde ihr Blick kühl und geschäftsmäßig. » Falls Ihr auch gegen die Pest vorsorgen wollt, seid Ihr bei mir in den allerbesten Händen. Die Leute bekommen nicht genug von meinen Amuletten, weil sich schon in der ganzen Stadt herumgesprochen hat, wie sicher sie wirken. Sogar aus Eurer Zunft gehören einige zu meiner Kundschaft – und sind noch alle am Leben! Ihr müsstet Euch dazu allerdings in mein Haus in der Schwalbengasse bemühen, zumindest fürs Erste.«
Hennes gab einen dumpfen Ton von sich.
» Das Pferd«, sagte Vincent, der auf einmal nur noch wegwollte. » Was soll es kosten? Ich will es kaufen.«
» Unsere schöne Stute?« Itas Stimme wurde schrill. » Die ist unverkäuflich!«
» Da täuschst du dich«, widersprach Hennes. » Aber es kommt natürlich auf den Preis an. Was wäre sie Euch denn wert?«
» Dazu müsste ich sie erst einmal sehen«, sagte Vincent.
In seiner Geldkatze schleppte er noch immer die Silbermünzen herum, die Bernhard vom Hagen ihm geradezu aufgedrängt hatte, nachdem er Lenne, die Giftmörderin, so weit wiederhergestellt hatte, dass sie im Karren zum Galgen gefahren werden konnte, um öffentlich hingerichtet zu werden. Blutgeld – so nannte er es im Geheimen. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde Johanna die Nächste sein, die diesen Weg in den Tod anzutreten hatte.
» Folgt mir!« Der Kürschner kam aus dem Haus. » Ich bringe Euch zum Stall.«
Dort stank es zum Gotterbarmen, als sei seit Langem nicht mehr ausgemistet worden. Die Stute hatte eingefallene Flanken, aber ihre Augen waren klar. Sie wich zurück, sobald sie Hennes erkannte, und versuchte zu steigen. Vincent, der sich mit Pferden auskannte, wusste sofort, weshalb, noch bevor er das verkrustete Blut auf der Kruppe entdeckte.
» Ihr schlagt sie«, sagte er, » eine Kreatur, die Euch anvertraut ist. So etwas vergessen Pferde niemals.«
» Ach, Rösser sind doch wie Weiber! Manchmal brauchen sie eben eine feste Hand. Gefällt sie Euch?«
» Was soll sie kosten?«, fragte Vincent.
» Fünfzig Gulden. Ein Preis, wie Ihr ihn selten finden werdet.«
» Zwanzig«, sagte Vincent.
» Sie ist mehr als das Doppelte wert.«
» Beim Abdecker würdet Ihr lediglich zehn bekommen, und dorthin müsst Ihr sie über kurz oder lang bringen, wenn Ihr sie weiterhin so schlecht behandelt. Also?«
Hennes schien mit sich zu ringen.
» Vierzig«, sagte er. » Darunter kann ich nicht gehen.«
» Dreißig.«
» Fünfunddreißig«, sagte Hennes. » Sonst schlachte ich sie selbst.« Er streckte Vincent die Hand entgegen.
Der dachte an Johannas abgezehrtes Gesicht, ihre Stoppelhaare, an den Schmerz in ihren Augen, als sie vom Lilienhaus und seinen Bewohnern gesprochen hatte, die ihr am Herzen lagen. Wenn er schon nicht Sabeth retten konnte, dann wenigstens die Stute.
» Einverstanden«, sagte er, ohne die Hand des Kürschners zu berühren.
» Ihr habt das Geld dabei?« Hennes’ Stimme klang gierig.
Vincent drehte ihm den Rücken zu, zog seine Geldkatze heraus und entnahm ihr die Münzen.
» Sattel und Zaumzeug bleiben hier«, sagte Hennes, nachdem er nachgezählt und das Geld eingesteckt hatte. » Es sei denn, Ihr legt noch einmal ordentlich drauf.«
» Bemüht Euch nicht!«
Vincent ergriff das Halfter, um Rosa hinauszuführen, doch der Kürschner stellte sich ihnen in den Weg.
» Ich weiß noch immer nicht, wer Euch geschickt hat«, sagte er mit falschem Lächeln.
Vincent atmete tief aus, während Rosa die Zähne bleckte und dem Kürschner einen Schulterrempler versetzte, der
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