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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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hielt es Johanna nicht länger auf der Pritsche, als sie den Scharfrichter entdeckte, der schweigend vor der Zelle wartete. » Ich will nicht wieder zurück in dieses schwarze Nichts, das mich an Leib und Seele auffrisst. Lieber gestehe ich.«
    » Einen Mord, den du niemals begangen hast?« Vincent sprach so ruhig, wie es ihm möglich war. » Dann ist dir wie Lenne Wagner der Galgen gewiss. Ich habe sie behandelt und könnte dir ganz genau beschreiben, was die Folter aus ihr gemacht hat – und was ihr nun bevorsteht.«
    » Aber was soll ich denn sonst tun?« Sie klang mutlos.
    » Vorerst bleibst du in dieser Zelle. Danach wirst du erneut verhört. Der Grewe …«
    » Der Grewe hasst mich«, unterbrach ihn Johanna. » Mein Tod ist für ihn schon längst beschlossene Sache. Das habe ich in seinen Augen gelesen.«
    » Er hat sich nur auf diesen Aufschub eingelassen, weil er unbedingt dein Geständnis will.«
    » Aber ich kann doch nicht gestehen. Ich bin unschuldig!«
    » Ein Geständnis, darum kreisen all seine Gedanken – und genau damit hab ich ihn drangekriegt. Zuerst wurde ich immer ratloser, doch dann konnte ich Graf Bornweg mit seinen eigenen Waffen schlagen.«
    Fragend starrte Johanna ihn an.
    » Ich habe ihm ausgemalt, dass jeder verrückt wird, der zu lang in der camera silentia verbleibt, hermetisch abgeschottet von Licht und Geräuschen. Und ein Verrückter kann kein Geständnis mehr machen – das Einzige, was ihm schließlich einzuleuchten schien. Ein hartes Stück Arbeit, das darfst du mir glauben.« Seine Stimme wurde weicher. » Versuch ein Weilchen zu schlafen! Du wirst deine Kraft brauchen, Johanna.«
    Sie lehnte sich an die Wand, schloss die Augen. Als sie sie wieder aufschlug, war er verschwunden.
    In ihr war plötzlich alles wieder dunkel. Leer fühlte sie sich, wie ausgehöhlt. Sie schlang die Arme um den Leib, während der Scharfrichter von außen die schwere Tür zuzudrücken begann. Da flog im letzten Augenblick etwas durch den Spalt und landete neben ihren Füßen.
    Sie bückte sich, hob es auf. Ihr grünes Samtband, einst eine Augenweide, die sie geschmückt und geschützt hatte, jetzt aber genauso armselig und besudelt war wie sie selbst.
    Johanna legte es sich um den Hals und wollte nach alter Gewohnheit den Zopf beiseiteschieben, um es zu schließen. Doch war da nichts mehr außer hässlichen Stoppeln, wie Verbrecherinnen es dulden mussten.
    Bitterlich begann sie zu weinen.
    x
    Das Badehaus in der Kleinen Budengasse war das letzte, das die Krähe sich aufgespart hatte. Daran vorbeigegangen war er schon einige Male, doch irgendetwas hatte ihn bislang daran gehindert, anzuklopfen und sich drinnen Gewissheit zu verschaffen.
    Heute jedoch stand die Tür offen, was er als Wink des Schicksals betrachtete.
    Von klein auf war ihm vom Alten eingeschärft worden, dass man auf Zeichen achten musste, wenn man überleben wollte. Allerdings war der Mann fast krankhaft abergläubisch gewesen, hatte aus Vogelflug, Steinchen am Wegesrand, Tierkot und tausend anderen ungereimten Kleinigkeiten Vorhersagen erkennen wollen, die so niemals eingetroffen waren. Dennoch hatten seine seltsamen Angewohnheiten die Sinne des Jungen geschärft, seine Augen wachsamer gemacht, die Ohren empfindsamer, die Nase feiner – Fähigkeiten, die für die harten Jahre als Bettler und Vagabund von großem Nutzen gewesen waren.
    Er ging hinein. Gleich im Flur stieß er auf einen kräftigen Mann, der fluchend mehrere Zuber aufeinanderstapelte.
    » Ihr seid hier der Bader?«, fragte die Krähe.
    » Der bin ich.« Der Blick des Mannes flog über die starken Schultern unter der staubigen Schecke, die Beinlinge, die zahlreiche Löcher und Risse hatten und die muskulösen Beine erkennen ließen. Seine Miene bekam etwas Missmutiges. » Aber Ihr habt Euch umsonst hierherbemüht. Unsere Badestube ist geschlossen. So und nicht anders hat der Magistrat es verfügt.«
    Im Hintergrund waren seltsame Geräusche zu hören, als ob jemand vergeblich von innen an eine Tür kratzte. Nach einem Tier klang es nicht. Wen mochte der Bader da eingesperrt haben?
    Die Neugierde der Krähe wuchs.
    » Ich bin nicht zum Baden gekommen.« Aus den Augenwinkeln sah er eine Schwangere mit einem Stoß Leinentüchern auf den Armen heranwatscheln. » Ich suche eine bestimmte Frau.« Er zögerte, sprach dann aber weiter. » Johanna heißt sie. Arbeitet sie vielleicht bei Euch?«
    » Wir haben keine Johanna«, sagte der Bader eine Spur zu schnell. » Unsere letzte

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