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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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den Daumen der anderen Hand und begann aufzuzählen: »Die hohe Schneewächte vor der Haustür und der zugeschneite Hofraum verraten uns, dass schon seit ungefähr zwei Wochen niemand mehr hier war.«
    »Dies bestätigt auch die kalte Feuerstelle«, ergänzte Eginhard.
    »Ja, und der Hühnerstall! Füchse kommen nur, wenn sie sich absolut sicher sein können, nicht gestört zu werden. Gut, mein Junge. Was ist uns sonst noch aufgefallen?«
    »Dass es in der Küche und im Schlafzimmer so aussieht, als hätten die Blaufärber ihr Haus überhastet verlassen?«
    »Richtig! Das würde auch erklären, warum die Maultiere mitsamt Schlitten weg sind. Jetzt stellt sich die Frage, warum sie gleich beide Maultiere davor gespannt haben.«
    »Vielleicht weil sie drei Menschen transportieren mussten?«, vermutete Eginhard.
    »Gut«, überlegte der Vater und kratzte sich am Kopf. »Aber wo ist die Ziege?«

    Als sie wieder in die Tenne kamen, hatten sich ihre Augen längst an das Halbdunkel gewöhnt. Dadurch fielen Eginhard erst jetzt die dunkelroten Flecken auf einem der groben Arbeitstische und am Boden auf. »Sieh mal!«, rief er seinem Vater zu, der schon durch das Tor nach draußen geschlüpft war. Nach genauerer Betrachtung identifizierten sie die angetrocknete Flüssigkeit eindeutig als große Blutlachen.

    »Oh, mein Gott! Was ist hier geschehen?«, fragten sie sich fassungslos, während sie sich im Raum genauer umsahen, aber nichts fanden, was ihnen weiterhelfen würde. Plötzlich fiel dem Kastellan ein, dass sie in ihrer Aufregung vergessen hatten, auf dem Dachboden nachzusehen und in die Färberei zu blicken. Da er sich dort vielleicht irgendwelche Hinweise erhoffte, die in Zusammenhang mit dem Verschwinden der Blaufärber und dem eingetrockneten Blut standen, wollte er jetzt auch noch diese Räume inspizieren.

    Draußen zog der Abend herein, und es begann zu dunkeln. Um Zeit zu sparen, ging einer in das Giebelstockwerk hoch und der andere ins Kellergeschoss. Zuvor aber hatten sie Holzspäne entzündet, mit denen sie die dunklen Treppengänge und die fensterlosen Räume besser ausleuchten konnten.
    Eginhard war schon in der unten liegenden Färberei und hielt sich wegen des penetranten Gestankes einen Lappen vor Mund und Nase. Auch hier herrschte große Unordnung. Überall lagen Handwerkszeug und ungefärbter Leinenstoff herum.
    Beim Betreten der Färberei wackelten die lose auf den Lehm gelegten Bodenbohlen und ließen auf dem Tisch einen kleinen, umgekippten Bottich, von dem eine übel riechende, klebrige Flüssigkeit heruntergeflossen war, hin und her rollen. Der Boden um vier riesige Holzfässer herum schwamm förmlich in Färberlauge, mit der sich die klebrige Substanz vermischt hatte. Eginhard sah, dass drei der Fässer leer waren. Nur eines war mit einem Holzdeckel abgedeckt. Als er die Hand nach dem Deckel ausstreckte, beschlich ihn plötzlich ein unangenehmes Gefühl. Er zog sie schnell zurück und überlegte.
    »Nein! Das kann nicht sein!«, sagte er laut zu sich selbst. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und schob den Deckel langsam von sich weg. Als dieser krachend zu Boden fiel, wich Eginhard hastig zurück, um nicht angespritzt zu werden. Dabei fiel ihm der Kienspan aus der Hand und erlosch, noch bevor er ihn durch einen tollkühnen Sprung erreichen konnte. Den nicht mehr brennenden, aber noch heißen Span in der Hand blieb Eginhard nichts anderes übrig, als sich durch den dunklen Raum der nächsten schummrigen Lichtquelle entgegenzutasten. So landete er in einer Art Vorraum, in dem das Holz lagerte, das der Blaufärber zum Erhitzen seiner Kessel benötigte. Um sich vor seinem Vater nicht zu blamieren, versuchte Eginhard mit einem Feuerstein und seinem Funkeneisen den immer noch warmen Span neu zu entzünden. Auch wenn er darin nicht die Geschicklichkeit seines Vaters hatte, gelang ihm dies recht schnell, und er hatte wieder Licht. Gleich beim Bottich, sah er darin eine Flüssigkeit, in der etwas Aufgeblasenes zu schwimmen schien. Zwar auf den ersten Blick undefinierbar, sah es doch wie ein Hemd aus, das zu einem Menschen gehörte, den es unter Wasser drückte.
    »Bitte, nicht!«, entfuhr es ihm, während er überlegte, wie er eine Antwort auf seine Befürchtung bekommen könnte. Er suchte einen Stock und fand einen langen Kochlöffel.

    Währenddessen versuchte der Kastellan, ins Dachgeschoss zu gelangen, indem er eine große Holzluke in der Decke – die von einem aus Steinen bestehenden Zuggewicht

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