Die Pestspur
Sohn mit einem hämischen Grinsen im Gesicht.
»Ach, nichts!«
»Gehen wir also?«
»Nichts lieber als das«, meinte Eginhard, der schon lange gegen ein flaues Gefühl im Magen ankämpfen musste.
*
Im Schloss wurden sie schon sehnlichst von Lodewig und Diederich erwartet. Da Mutters Kopf mittlerweile zu glühen schien, hatte ihr Lodewig ständig wechselnd feuchte Tücher auf die Stirn gelegt. Eginhard stellte sofort fest, dass eine gefährliche Körperhitze aufgezogen war und er seiner Mutter in den nächsten Tagen fachkundig beistehen musste. Genau wie er es eingeschätzt hatte, stieg die Hitze von Minute zu Minute weiter an. Seine Mutter röchelte und hustete ständig. Zudem klagte sie über Gliederschmerzen, die Eginhard mit nasskalten Wickeln bekämpfte. Bis auf Diederich, der die Problematik noch nicht einschätzen konnte, waren jetzt alle Familienmitglieder höchst angespannt. Der um das Leben seiner Frau besorgte Kastellan nahm seinen ältesten Sohn beiseite und fragte ihn: »Glaubst du, dass deine Mutter von der Pest heimgesucht wurde?«
Kapitel 38
Nachdem im ansonsten harmonischen Haushalt der jüdischen Familie über Tage hinweg miserable Stimmung geherrscht hatte, war jetzt so weit wieder alles im Lot. Als der tiefgläubige Jakob Bomberg von Sarah erfahren hatte, dass sie einen Christen liebte und ihn heiraten wollte, war er fast ausgerastet. Einerseits war er ein sanfter Familienvater, andererseits konnte er aber auch von einem Moment zum anderen impulsiv werden und hochgehen, wie eine Kugel aus der »Schäferin« . Ohne dass er dies wusste, verband ihn dies mit Lodewigs Mutter. Durch das Fasten war er zurzeit ohnehin gereizter als sonst.
Erst als Judith eine neuerliche Aussprache in Bezug auf Sarahs Partnerwahl provoziert hatte, dabei ihrer Tochter beigestanden war und Argumente mit Hilfe ihrer Faust auf den Tisch geknallt hatte, denen der Vater nichts hatte entgegensetzen können, hatte sich die familiäre Situation entspannt. Allerdings musste sie auch noch ins Feld führen, dass Sarah nicht die geringste Möglichkeit haben würde, einen Gleichgläubigen zu ehelichen, da sie in Staufen die einzigen Juden waren und es schlicht und ergreifend nirgends einen jüdischen jungen Mann gab, der nach Jakobs Meinung zu Sarah passen könnte. Obwohl drei Jahre jünger als ihre Tochter, wäre als Einziger David Rosenbaum aus Immenstadt in Frage gekommen, stellte Judith fest und argumentierte gereizt weiter: »Auch du dürftest nicht vergessen haben, dass sie ihn vor sechs Jahren, vor Beginn seines dreizehnten Lebensjahres, als er nach jüdischer Tradition noch nicht religionsmündig, also noch nicht einmal ein richtiger Mann war, erschlagen haben, nachdem zuvor schon seine Eltern massakriert worden sind, weil man ihnen die Schuld an der dortigen Pest gegeben hat. Oder hast du vergessen, wie glücklich wir uns schätzen müssen, dass wir – Jahwe sei Dank – in den letzten Monaten keine Probleme bekommen haben? Mussten wir aufgrund der jahrhundertelangen Erfahrung, wie mit uns Juden umgegangen wird, wenn eine Seuche umgeht, nicht das Allerschlimmste befürchten? Haben wir nicht schon still und heimlich – ohne dass es unseren Kindern aufgefallen ist – unser Bündel geschnürt, um uns wie Diebe in der Nacht aus Staufen schleichen zu können, falls es nach dem Leichenfund im Entenpfuhl zu Problemen gekommen wäre? Dass gerade ich – eine Jüdin, und dazu auch noch eine ausländische – dabei war, als man sie gefunden hat, hätte leicht als böses Omen ausgelegt werden können!«
Judith schnappte erst wieder nach Luft, als sie merkte, dass sich Jakob etwas beruhigt hatte. Wenn es um das Wohl ihrer beiden Töchter ging, konnte auch die ansonsten besonnene Judith ihre Krallen ausfahren.
Als ihr Mann, der im Moment einem geprügelten Hund ähnelte, etwas sagen wollte, fuhr sie sofort wieder dazwischen, ohne ihn überhaupt anzuhören: »Nur, damit wir irgendwo eine jüdische Familie finden, deren Sohn Sarah heiraten kann, obwohl sie schon einen anderen liebt, ziehe ich nicht von Staufen weg. – Ist das klar?«
Noch bevor der verdutzt dreinschauende Jakob etwas sagen konnte, repetierte Judith das soeben Gesagte: »Wegen unseres Glaubens sind wir schon zu oft umgezogen! So lange wir in Staufen keine Probleme bekommen, bleiben wir hier. – Basta!«
Jakob hob die Hände, als würde er eine weiße Fahne darin halten.
»Schon gut, schon gut. Alles klar – ich habe verstanden.«
Zwar war Judith mit
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